Unsere Mobilmacher:in der Woche ist Lindsey Mancini, Head of Secretary General's Office bei der International Association of Public Transport (UITP). Seit 2017 verfolgt die UITP eine Gleichstellungspolitik bei Veranstaltungen wie auch im Management. Lindsey hat uns verraten, wie die UITP Panels und Positionen besetzt.
Der Frauenanteil in der Mobilitätsbranche liegt bei rund 22 Prozent. Entsprechend männlich dominiert sind Vorstände und Veranstaltungen – egal ob in der Autoindustrie oder bei den Verkehrsunternehmen. Die International Association of Public Transport (UITP) setzt sich seit 2017 aktiv für mehr Frauen auf Panels und in ihren Managementpositionen ein.
„Je mehr Frauen wir bekommen, desto mehr Frauen empfinden es als normal, auf einer Veranstaltung zu sprechen oder sich selbst vorzustellen", sagt Lindsey Mancini, Head of Secretary General's Office bei der UITP. "Weil wir uns nur Dinge vorstellen können, die wir auch sehen und erleben, müssen wir mehr Frauen sichtbar machen.“
Die UITP gehe deshalb mit gutem Vorbild voran. „Ich glaube, dass wir als Verband hier eine starke Rolle spielen. Denn hier werden die Menschen in den Reihen der Mitglieder sichtbar. Hier kommen die Entscheidungsträger zusammen und sprechen miteinander.“
Indem wir das Bewusstsein schärfen, können wir einen kleinen Unterschied in der Art und Weise machen, wie der gesamte Verkehrssektor wahrgenommen wird und wir können beginnen, in den verschiedenen Ländern etwas zu bewegen.
Lindsey Mancini, Head of Secretary General's Office bei der UITP
Das war auch bei der UITP nicht immer so, wie Mancini erzählt. Nach dem großen UITP-Summit in Montreal im Jahr 2017 sei sie gerade auf dem Heimweg gewesen, als sie einen Tweet von einem UITP-Mitglied sah: "Ich hatte wieder einmal ein wunderbares Erlebnis bei der UITP, es war fantastisch. Aber ich muss sagen, dass ich schockiert war über diese ausschließlich männlichen Gremien. Ich kann nicht glauben, dass die UITP im 21. Jahrhundert nicht mehr Anstrengungen unternimmt." Dieser Tweet habe ihr die Augen geöffnet.
International Association of Public Transport (UITP)
Die UITP ist der internationale Verband für öffentliches Verkehrswesen mit Sitz in Brüssel. Der Verband wurde 1885 gegründet und hat mehr als 1800 Mitgliedsunternehmen in rund 120 Ländern der Erde. In der UITP sind sowohl Verbände wie der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) Mitglied als auch einzelne Verkehrsgesellschaften und Unternehmen. Der Präsident der UITP ist Khalid Alhogail, UITP-Generalsekretär ist Mohamed Mezghani.
2018 wurde Mohamed Mezghani neuer UITP-Generalsekretär. Ihm liege das Thema Gleichstellung sehr am Herzen, so Mancini. „Das ist ein weiteres sehr wichtiges Element: Wir hatten einen sehr engagierten Verfechter, einen Mann, an der Spitze des Verbandes, der sich der Bedeutung des Themas sehr bewusst war und es wirklich voranbringen wollte. Wenn man etwas verändern will, braucht man so einen Verfechter, der dem Thema Raum gibt und andere ermutigt.“
2018 habe die UITP deshalb ihre Gremien nach Freiwilligen gefragt, die eine Gleichstellungspolitik für den Verband entwickeln wollen. In dieser informellen Beratergruppe waren Männer und Frauen aus UK, Skandinavien, Schweiz, Nordamerika, Australien und Spanien vertreten, die gemeinsam Ziele für die UITP formulierten.
Gleichstellung beim Recruiting und in Führungspositionen
„Wir mussten uns fragen: Tun wir genug bei unserer Einstellungspolitik?“, so Mancini. Seitdem führen bei jedem Einstellungsprozess mindestens ein Mann und eine Frau das Gespräch. „Niemand sollte nur von einer Frau oder nur von einem Mann interviewt werden. Das sind grundlegende Dinge, aber wir haben sie bis 2018 nicht wirklich umgesetzt.“
Frauen reagieren auf Stellenausschreibungen anders als Männer: Ein Mann, der eine Stellenanzeige liest und denkt, dass vielleicht zwei Drittel davon auf ihn zutreffen, bewirbt sich. Frauen bewerben sich nur, wenn sie das Gefühl haben, dass sie perfekt auf die Stelle passen. Wir müssen also nach den Frauen Ausschau halten. Sie sind da, aber man muss sie einladen, sie ermutigen und ihnen auch sagen: Wir brauchen euch.
Lindsey Mancini, Head of Secretary General's Office bei der UITP
Bei den Spitzenpositionen im Vorstand der UITP müssen immer mindestens ein Mann und eine Frau in die engere Wahl kommen. Weil die Vorstandsmitglieder der UITP von den Mitgliedern nominiert und gewählt werden, spreche die UITP entsprechend regelmäßig ihre Mitglieder an, wenn beispielsweise nur ein Mann als französischer Landesvertreter vorgeschlagen werde. „Es ist eine ständige Sensibilisierung“, sagt Mancini.
„Wir haben Ländervertretungen, regionale Vertretungen und Leute, die die Verkehrsarten vertreten. Und wir sagen immer wieder: Liebe Bewerberinnen und Bewerber, bitte beachten Sie, dass wir eine Geschlechterpolitik haben. Wir ermutigen Frauen sehr, sich zu bewerben, auf uns zuzugehen und ein Gespräch zu führen.“ Mit Erfolg: 2017 gab es keine einzige Frau im Vorstand der UITP, mittlerweile sei ein Drittel des Vorstandes weiblich besetzt.
Natürlich hänge die Anzahl männlicher und weiblicher Bewerber auch bei der UITP von der Stelle ab, sagt Mancini. „In den Bereichen Kommunikation, Marketing oder Verwaltung haben wir mehr weibliche Bewerber. Die IT-Abteilung zum Beispiel ist männerdominiert. Aber wenn man sich unsere Sekretariate anschaut, haben wir über hundert Leute und das Verhältnis ist etwa 50:50. Auch das mittlere Management ist ausgewogen.“
Das Topmanagement ist überhaupt nicht ausgewogen. Im Moment sind es zwei Frauen und acht Männer. Deshalb haben wir geschlechtergerechte Auswahlliste im Einstellungsverfahren für Spitzenpositionen. Wir sind uns dessen sehr bewusst und wollen uns verändern. Wir sprechen viel über dieses Thema, aber wir sind bei weitem nicht perfekt.
Lindsey Mancini, Head of Secretary General's Office bei der UITP
Bei Veranstaltungen der UITP gibt es – im Vergleich zu vielen anderen Mobilitätsveranstaltungen – einen sehr hohen Anteil an Speakerinnen. Teilweise liegt er über 40 Prozent. „Wir haben keine Quote festgelegt, aber wir haben uns verpflichtet, den Frauenanteil bei den Veranstaltungen zu verdoppeln“, sagt Mancini. „Jeder kann sich anstrengen und die Quote verdoppeln. Wenn der asiatisch-pazifische Raum mit zehn Prozent anfängt, können sie auf 20 Prozent gehen. In Europa waren wir anfangs bei 15 Prozent und sagten: Wir wollen auf 30 Prozent kommen. Das haben wir ziemlich genau geschafft. Bei unserer Großveranstaltung - dem Gipfel in Stockholm nach Montreal - haben wir uns auf 42 Prozent verdoppelt.“
Damit das klappt, empfiehlt sie, immer zuerst die Frauen anzusprechen. „Das letzte, was Sie tun sollten, ist ein Programm zusammenzustellen, die Frauen zu zählen, festzustellen: „okay, wir brauchen noch zehn“ und dann zu versuchen, die letzten Plätze mit Frauen zu besetzen.“ Sie sagt: „Es ist wirklich schwierig, auf Frauen zuzugehen und zu sagen: "Möchten Sie an der Podiumsdiskussion teilnehmen? Es müssen Sie sein, weil Sie eine Frau sind.“ Es ist einfach unangenehm dieses Gespräch zu führen und es funktioniert nie.“ Der beste Weg, um ein geschlechtergerechtes Programm aufzubauen sei, zuerst mit den Frauen zu reden. „Erst wenn Frauen in allen gewünschten Panels vertreten sind, kann man anfangen, die Männer hinzuzufügen.“
Es gibt wenige Frauen, die in der Branche arbeiten. Das ist eine Tatsache. Aber die, die man findet, sind großartig. Weil sie gut sein müssen, um dort hin zu kommen, wo sie sind. Ich habe noch nie ein Panel erlebt, bei dem die Frauen nicht großartig waren.
Lindsey Mancini, Head of Secretary General's Office bei der UITP
Natürlich gebe es die Situation, dass ein Panel nur mit CEOs besetzt werden soll. Wenn es keine weibliche CEO gebe, müsse man eben kreativ werden. „In solchen Fällen ist es gut, mit den Formaten zu spielen. Anstatt vier Männer nacheinander sprechen zu lassen, sollten Sie nach verschiedenen Möglichkeiten suchen, die Session zu organisieren. Führen Sie Interviews, führen Sie Dialoge. Auf diese Weise können Sie die Frauen einbeziehen, die etwas zu sagen haben.“
UITP-Vorstandsmitglieder sprechen nicht auf all-male-Panels
Zusätzlich zur Auswahl der Speakerinnen und Speaker bei eigenen Veranstaltungen achte die UITP auch sehr darauf, wo ihre Mitglieder auftreten, so Mancini. „Mohamed wurde gestern zu einer Mitgliedsorganisation eingeladen, die eine Management-Klausur mit Sitzungen und anderen Dingen veranstaltete. Er wurde gebeten, in einer Sitzung zu sprechen, in der nur Männer anwesend waren, und er sagte: Nein, tut mir leid, das kann ich nicht machen.“
Anfangs sei man sich auch innerhalb der UITP unsicher gewesen, ob man derartige Einladungen zahlender Mitglieder ablehnen könne. Mittlerweile sei das etabliert. „Wenn wir solche Punkte ansprechen, sagen unsere Mitglieder oft: "Oh, Scheiße. Ihr habt ja Recht!" Und beim nächsten Mal ist das Geschlechtergleichgewicht viel besser.“
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