Beim vorletzten #MoveUp des WiM Hubs Rhein-Ruhr diskutierten Larissa Zeichhardt, CEO der Berliner LAT Gruppe und Babette Müller-Reichenwallner, Chief Revenue Officer (CRO) bei Railnova über Bits and Bytes im Schienenverkehr. Der MobilityMonday geht deshalb der Frage nach, wie weit die Digitalisierung im Schienenverkehr eigentlich ist.
Was bringt die Digitalisierung im Schienenverkehr – speziell im Infrastrukturbau und bei der Wartung von Schienenflotten? Darum ging es beim #MoveUp von Women in Mobility Rhein-Ruhr Mitte September.
Die LAT-Gruppe, deren CEO Larissa Zeichardt ist, produziert Stromschienen, Signal- und Sicherheitstechnik für Bus, Bahnen und Trams. Railnova, das Unternehmen von Babette Müller-Reichenwallner, stellt Hard- und Softwarelösungen für Flottenwartung- und Management im Eisenbahnbereich her. Stichwort predictive maintenance.
Die beiden gaben Einblicke, wie Digitalisierung die Instandhaltung von Zügen und Gleisanlagen verbessern, aber auch Menschen schützen kann. So gibt es beispielsweise Smartwatches, die die Gleisbauer*innen auf herannahende Züge aufmerksam machen. Sie sind mit Sensoren in den Gleisen vernetzt und reagieren, sobald das Gleis vibriert. Aktuell warnen menschliche Sicherungsaufsichtskräfte - sogenannte Sakras - ihre Kolleg*innen mit einem Signalhorn, sobald ein Zug zu sehen ist.
Die Smartwatch gibt es bereits - in Deutschland ist sie aber als alleiniges Warnsystem nicht zugelassen. Zeichardts Angestellte tragen die Uhr deshalb zusätzlich - und fühlen sich ihr zufolge damit deutlich sicherer.
Auch Müller-Reichenwallners Kund*innen würden von mehr Digitalisierung stark profitieren, wie sie erzählt. Aktuelle werden Schadensmeldungen an der Lok beispielsweise von den Lokführer*innen noch handschriftlich im Triebfahrzeug hinterlegt. In der Hoffnung, dass die Fachkräfte in der Werkstatt die Störberichte finden, entziffern und lesen können.
Letzteres werde gerade im grenzübergreifenden Schienenverkehr häufig zum Problem. Auch werden Kilometerstände häufig noch telefonisch erfragt. Mit der Konsequenz, dass keine*r weiß, wie viele Kilometer eine Lok schon auf der Uhr hat, wenn im Führerhaus niemand ans Telefon geht.
Das Ergebnis des #MoveUps: Mehr Digitalisierung täte Deutschlands Gleisen und Zügen wirklich gut. Und vor allem auch den Menschen, die sie steuern, warten, reparieren oder deren Einsätze planen.
DSD GmbH ist für Digitalisierung der Schiene verantwortlich
Die DB, beziehungsweise die ihr zugehörige DB Netz AG, ist für das knapp 33.400 Kilometer lange Streckennetz in Deutschland zuständig. Dazu gehören auch sämtliche Signal- und Ampelanlagen sowie alle Weichen. Um dieses Streckennetz zu digitalisieren, hat die Deutsche Bahn eine eigene Gesellschaft gegründet: die DSD GmbH.
„Wir nehmen damit jetzt Tempo bei der Digitalisierung der Schiene in Deutschland auf. Die Gesellschaft bündelt die Kompetenzen und Kapazitäten des gesamten Bahnsektors, um diese enorme Zukunftsaufgabe gemeinsam zu bewältigen“, sagte DB Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla bei der Vorstellung des neuen Unternehmens beim Forum Digitale Schiene 2019.
Seit 2020 sollte eigentlich flächendeckend das europäische Zugbeeinflussungssystem ETCS und digitale Stellwerkstechnologie umgesetzt werden. Die Bahn verspricht sich dadurch bis zu 35 Prozent mehr Kapazität im Netz, pünktlichere Züge, geringere Instandhaltungskosten, Interoperabilität zumindest in Europa und eine höhere Energieeffizienz.
Infografik: ETCS-Ausrüstung und digitale Stellwerke (Quelle. DB AG)
Gemäß Zahlen der Allianz pro Schiene ist allerdings bisher noch nicht sonderlich viel passiert in Sachen Digitalisierung der Schiene.
Das Schienennetz der Eisenbahnen in Deutschland hat derzeit eine Streckenlänge von rund 38.400 km. Davon sind seit 2020 rund 61 Prozent elektrifiziert, also mit einer Oberleitung ausgestattet. Zum Vergleich: Im Jahr 2010 waren 59 Prozent des Streckennetzes mit Strom versorgt. Immerhin hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, dass bis zum Jahr 2025 mindestens 70 Prozent des Schienennetzes Strom haben.
Per heute können jedoch mehr als 18.800 Kilometer Streckennetz nicht mit E-Loks und E-Triebwagen befahren werden. Auch an den Grenzen zu unseren europäischen Nachbarn sind nur 27 von 57 Übergängen mit einer Oberleitung ausgestattet.
Nur 1% des Schienennetzes digital
Was die Digitalisierung der Schiene anbelangt, sieht es laut dem Deutschen Verkehrsforum (DVF) noch schlechter aus: Demnach hat die Bundesregierung zwar im Jahr 2015 mit der geplanten flächendeckenden Einführung des Zugsteuerungssystem ETCS begonnen - ist aber nur rund 340 Kilometer weit gekommen. Das entspricht knapp einem Prozent des gesamten Schienennetzes in Deutschland. Im August 2021 hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) Fördermittel in Höhe von 17,75 Millionen Euro versprochen, um den Ausbau sowie das Aufstellen von 5G-Masten entlang einer Teststrecke im Erzgebirge voran zu treiben.
Zum Vergleich: Die Kosten für die Verlängerung der Berliner Stadtautobahn A100 von Neukölln nach Treptow liegen bei bis zu 700 Millionen Euro.
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