„Die berufliche Mobilität entwickelt sich zunehmend weg PkW und hin zu vielfältigen Mobilitätsangeboten“
- womeninmobility
- 26. März
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Fahrradleasing, Deutschlandticket, Elektroautos: Fast 60 Prozent der Unternehmen in Deutschland und der Schweiz befinden sich nach eigenen Angaben in einem Transformationsprozess ihres Mobilitätsangebots. Das zeigt die Studie „Betriebliche Mobilität neu gestalten” des Future Mobility Lab am Institut für Mobilität der Universität St. Gallen. Sie zeigt, wie Unternehmen die Mobilitätswende gestalten.
Heute präsentiert das Future Mobility Lab der Universität St.Gallen eine umfassende Studie mit aktuellen und einmaligen Daten zur gegenwärtigen Entwicklung nachhaltiger beruflicher Mobilität. Demnach kommt gerade Arbeitgebern eine Schlüsselrolle im Rahmen der nachhaltigen Verkehrswende zu. Denn allein in Deutschland gehen 42 % des Verkehrs auf beruflich zurückgelegte Fahrten zurück. Entsprechend können Firmen durch ihre Angebote für Mitarbeitende deren Mobilitätsverhalten beeinflussen. Wer ausschließlich Dienstwagen anbietet, dessen Belegschaft kommt mit dem Auto zur Arbeit. Wer einen breiten Mix an Mobilitätsformen anbietet, dessen Mitarbeitende haben einen deutlich anderen Modalsplit.
Wie genau Unternehmen in Deutschland und der Schweiz diesen Hebel nutzen und welche Bedürfnisse Arbeitnehmende aktuell haben – das hat das Institut für Mobilität der Universität St.Gallen in Kooperation mit der Kommunikationsagentur fischerAppelt und dem Future Mobility Lab untersucht.
Insgesamt wurden dafür 983 Arbeitgeber und 2.922 Arbeitnehmende in Deutschland und der Schweiz befragt. Zusätzlich hat ein Team ausgewählte Unternehmen über einen Zeitraum von sechs bis elf Monaten in der Entwicklung ihrer Mobilitätsangebote begleitet.
Während Arbeitnehmende potenziell von einem breiten Angebot an Mobilitätsoptionen profitieren, können Arbeitgeber beispielsweise durch maßgeschneiderte Budgets, eine effizientere Nutzung von Parkraum oder die Bereitstellung von Mobilitätsdiensten für die private Nutzung nicht nur die Zufriedenheit steigern, sondern auch langfristig Kosten senken. Es entsteht eine echte Win-Win-Situation, die beide Seiten stärkt und nachhaltig zukunftsfähig macht
Luisa Stöhr, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Mobilität der Universität St.Gallen
Das positive Ergebnis: Die Mehrheit der befragten Unternehmen befindet sich bereits in einem Transformationsprozess ihres Mobilitätsangebots:
77 % der Unternehmen bieten Dienstrad-Leasing an
72 % setzen auf Elektroantrieb bei ihren Dienstfahrzeugen
62 % weiten Homeoffice-Optionen aus, um Fahrten allgemein zu reduzieren
52 % stellen ihren Angestellten das Deutschlandticket zur Verfügung
„Eine erste, aus unserer Sicht positive Beobachtung der Studie ist, dass sich die berufliche Mobilität zunehmend von ihrem bisherigen Fokus auf den individuell genutzten Pkw hin zu einer breiteren Bereitstellung und Nutzung vielfältiger Mobilitätsangebote entwickelt“, sagt Dr. Philipp Scharfenberger, Vizedirektor am Institut für Mobilität der Universität St.Gallen. „Um solche multimodalen Angebote zu fördern und zu organisieren, kommt dem Konzept des Mobilitätsbudgets ein großes Potenzial zu“, ergänzt Luisa Stöhr, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut.
Fünf zentrale Handlungsfelder für eine erfolgreiche betriebliche Mobilitätswende
Allerdings zeigen sich deutliche Lücken bei Transparenz und Kommunikation. So wissen 43 Prozent der Arbeitgeber nur wenig über die tatsächlichen Mobilitätswünsche ihrer Mitarbeitenden. Zwei Drittel der Unternehmen (66 Prozent) haben zudem keinen Überblick darüber, welche Verkehrsmittel genutzt werden, wie lang die Arbeitswege sind und welche Emissionen dadurch verursacht werden.
Das ist gleich aus mehreren Gründen problematisch: Attraktive Mobilitätsangebote gehören aus Sicht der Beschäftigten zu den wichtigsten Zusatzleistungen – direkt nach zusätzlichen Urlaubstagen. Unternehmen, die sich nicht gezielt mit den Bedürfnissen ihrer Belegschaft auseinandersetzen, verschenken somit wertvolles Potenzial, um Mitarbeitende langfristig zu binden und neue Talente zu gewinnen.
Zudem erschwert es die fehlende Datengrundlage, wirklich passende und nachhaltige Mobilitätslösungen zu entwickeln oder die verursachten Emissionen verlässlich zu erfassen und zu steuern. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen unsicher sind, wie sie mit rechtlichen und steuerlichen Vorgaben umgehen sollen. In Deutschland betrachten 43 Prozent der befragten Unternehmen diese Unsicherheiten als zentrales Hindernis bei der Weiterentwicklung ihrer Mobilitätsangebote – in der Schweiz sind es zum Vergleich nur 22 Prozent. Wer als Arbeitgeber also Mobilität nachhaltig und zukunftsfähig gestalten möchte, muss nicht nur die eigenen rechtlichen Rahmenbedingungen klären, sondern vor allem auch die Mobilitätsbedürfnisse der Mitarbeitenden genau kennen. Andernfalls bleiben große Chancen ungenutzt – sowohl mit Blick auf den Klimaschutz als auch im Wettbewerb um Fachkräfte.
Die Untersuchung beleuchtet aber nicht nur den aktuellen Stand beruflicher Mobilität, sondern zeigt auch fünf strategische Handlungsfelder auf, die für eine zukunftsfähige Weiterentwicklung entscheidend sind:
• Multimodalität fördern
• Mobilitätsbudgets einsetzen
• Reiserichtlinien anpassen
• Daten als Entscheidungsgrundlage nutzen
• Organisationsstruktur für neue Mobilitätsanforderungen fit machen
Zu jedem dieser Bereiche formuliert die Studie konkrete "Key Takeaways", die Arbeitgeber bei der Neugestaltung ihrer Mobilitätsangebote unterstützen sollen. Wichtig sei aber auch, den Wandel intern entsprechend zu kommunizieren. Nur wenn die Mitarbeitenden von neuen Angeboten wissen, können sie sie auch nutzen – und so auch im privaten Umfeld umsteigen. Denn was innerhalb eines Unternehmens gut funktioniert, lässt sich häufig auch auf weitere Zielgruppen und Kontexte übertragen. Berufliche Mobilität kann somit weit über die einzelne Organisation hinaus neue Impulse setzen und einen wichtigen Beitrag zur Mobilitätswende leisten.
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