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"Es gibt viele gute Ideen, die Deutschland mobiler machen"

Juliane Artner ist selbstständige IT-Beraterin und IT-Projektmanagerin. Seit 2018 berät sie Verkehrsunternehmen zum Thema PKM-Standards. Ihre Mission: Die Branche und den ÖPNV zu vernetzen und zu digitalisieren.


#MobilityMonday: Juliane, du bist IT-Projektmanagerin und berätst unter anderem Verkehrsunternehmen… Juliane Artner: Ich arbeite gern mit Unternehmen, die spannende Themen bieten, großen Herausforderungen gegenüberstehen und an der gemeinsamen Entwicklung guter Lösungen interessiert sind. Mein Kundenkreis reicht von Deutschlands großem Online-Blumenversender über Firmen aus dem Immobilien-Business bis zu Kunden rund um die Mobilität.


Wieso ausgerechnet die? Mobilität ist seit Jahren einer der Entwicklungstrends unserer Gesellschaft. Die Verkehrsbranche ist ein interessantes Betätigungsfeld und die Menschen, die in Verkehrsunternehmen und -verbünden arbeiten, liegen mir mit ihrer herzlichen und kernigen Art. Die Branche ähnelt außerdem der Automotive Branche, in der ich meine ersten Schritte im Job gemacht habe. Erzähl! Nach dem Studium war ich Angestellte bei einem IT-Dienstleister von Volkswagen. Am ersten Tag in der neuen Firma habe ich meine Visitenkarten bekommen und den PC. Am zweiten Tag kam ich morgens zur Arbeit und mir wurde gesagt: “Ab heute bist du IT-Berater bei Volkswagen. Der Abteilungsleiter freut sich immer über Frauen in der Abteilung. Wir setzen dich am Werkstor ab.”


Haben die Verkehrsunternehmen einen anderen Beratungsbedarf als andere Kund*innen? Absolut! IT-Kunden brauchen meist meine Hilfe, da ihre Prozesse und die Zusammenarbeit nicht optimal läuft oder jemand die Risiken des Projektes überwachen soll. In der Verkehrsbranche war ich sowohl als Projektleiterin und Product Owner tätig als auch als Beraterin für das technische Thema PKM und Tarifmodule nach PKM. Dabei begleite ich den Umstieg auf die neue Technologie. Dazu gehört, technische Schnittstellen aber auch prozessuale Strukturen zu schaffen und mit meinen Kunden zu erarbeiten, wie sie Tarifmodule optimal gestalten und in ihrer System-Architektur einsetzen können.

 

PKM bewegen den öffentlichen Personen-(Nah-)Verkehr

Im ÖPNV gibt es die Abkürzung PKM gleich zweimal: einmal steht sie für die Kennzahl Personenkilometer oder Passagierkilometer. PKM steht aber auch für XML-Dateien, die für die Abbildung von Verkehrstarifen sowie Kontrolle und Ausgabe von elektronischen Tickets notwendig sind.

Die Tarifmodule sorgen dafür, dass Fahrgäste mit jedem Handy, Tablet oder Laptop ein gültiges Ticket für Bus und Bahn kaufen können. Sie garantieren auch, dass das Kontrollgerät des/der Fahrkartenkontrolleur*in das Ticket auch erkennt. Egal, ob es am Automaten gelöst, mit dem iPhone oder an einem Android-Tablet gekauft wurde.

 

Du bist außerdem zertifizierte Change-Managerin. Buchen dich die Verkehrsunternehmen als Change-Managerin oder als IT-Beraterin? Bisher wurde ich in der Verkehrsbranche als Projektleiterin, Agile Product Owner und IT-Beraterin für PKM eingesetzt. All diese Aufgaben haben eine enge Beziehung zu Change- und Veränderungsprozessen. Dann sind meine Kunden froh, dass ich auch meine Expertise als Change-Managerin einbringe und die neuen Prozesse mitgestalte. Wie viel Change hat die Mobilitätsbranche deiner Meinung nach nötig? In den letzten Jahren hat die Verkehrsbranche bereits einen massiven Wandel durchlaufen: neue ökologische Konzepte, kundenfreundliche Technologien und die enge Verzahnung verschiedener Verkehrsmittel. Das war bereits ein Kraftakt, denen sich die Verkehrsunternehmen und -verbünde gestellt haben. Ich denke aber der Wandel ist noch lange nicht abgeschlossen. Positive zukunftsfähige Ansätze müssen weiterverfolgt werden und Konzepte, die bereits bestehen, weitergedacht und umgesetzt werden. Nehmen wir z.B. Be-In/Be-Out-Systeme und ticketloses Reisen deutschlandweit oder intuitive Oberflächen für den Kundendialog. Es gibt so viele gute Ideen, die Deutschland mobiler und fortschrittlicher machen können und noch vor der Umsetzung stehen.

„Mobilität ist absolut ein Frauenthema: Traditionell ist die Frau die Logistikerin der Familie. Frauen sind außerdem statistisch besser darin, kollaborativ zu wirken. Wir sind kommunikativ und bewerten den gemeinsamen Fortschritt höher als das Erreichen persönlicher Ziele. Das sind wichtige Grundpfeiler gemeinsamen Fortschritts.“

Juliane Artner, selbstständige Projektmanagerin und Beraterin



Wenn du der Branche ein Zeugnis ausstellen müsstest – wo steht sie bei Digitalisierung und Veränderungsbereitschaft? Die Verkehrsbranche ist generell eher langsamer mit Veränderungsprozessen. Dies liegt auch an langen Ausschreibungs- und Vergabezeiträumen, die einen schnellen Wechsel z.B. auf einen neuen Gerätetyp nur schwer zulassen. Bezüglich der Digitalisierung geht die Verkehrsbranche aus meiner Sicht definitiv in die richtige Richtung. Man kann aber nicht sagen, dass die Branche schon umfassend digitalisiert ist. Papier ist immer noch ein gern gesehenes Speichermedium und das Wissen befindet sich in den Köpfen langgedienter Mitarbeiter.


Was braucht die Branche deiner Meinung nach, um das Klassenziel zu erreichen? Die Frage ist: Was ist das Klassenziel? Vollständige Digitalisierung? Gesellschaftliche Gerechtigkeit und Teilhabe? Weg vom Verbrennungsmotor und CO²-Neutralität? Vergleicht man die Branche hinsichtlich der Digitalisierung beispielsweise mit der Automotive Branche, haben beide noch ihre Entwicklungspotentiale. Auch andere Branchen können sich hinsichtlich der Digitalisierung noch weiterentwickeln. Bezogen auf den Nachwuchsmangel stehen uns noch große Herausforderungen bevor. Die Verkehrsbranche könnte davon profitieren, jungen Expert*innen den Einstieg in die Branche leichter zu gestalten, indem Informationen besser verfügbar sind und zunehmend offene Formate gewählt werden. Damit könnte der Markt zudem von Experten aus anderen Branchen profitieren. Allgemein könnten Verkehrsthemen für Frauen attraktiver platziert werden. Noch begegne ich wenigen Frauen, verglichen mit ihrem Anteil in der Gesellschaft.


Welche Rolle spielst du bei der Digitalisierung und Modernisierung der Branche? Mit meinen Kunden versuche ich Prozesse transparent zu machen und auf Technologien mit einem offenen Standard umzustellen. PKM ist beispielsweise ein standardisiertes, aber offenes Format. Es dient der einheitlichen technologischen Abbildung von sehr individuellen Tarifstrukturen. Das ist ein spannender Ansatz: jedem seine individuelle Freiheit zu lassen und trotzdem die Technologie zu vereinheitlichen. Ich arbeite mit der (((eTicket Deutschland auch an der Weiterentwicklung des aktuellen PKM-Standards. Dabei passen wir den Standard an die Bedürfnisse neuer Geräte und zukünftiger Entwicklungen an.

Außerdem unterstütze ich die Vernetzung in der Branche. Ich denke ein Austausch innerhalb und mit branchenfremden Fachkräften kann die Verkehrsbranche noch weit voranbringen. Bei Women in Mobility dabei zu sein, zählt für mich dazu.

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