Seit 20 Jahren ist Sabine Bartel-Krombholz im Bereich Zulassung von Schienenfahrzeugen tätig. Auf der Herstellerseite, aktuell Škoda Group, sorgt sie dafür, dass Fahrzeuge betrieben werden dürfen. Bis dahin ist es ein langer Weg. Uns hat sie verraten, welche Tests Züge bestehem müssen und wie sie Zulassungsmanagerin wurde.
Foto: privat
Women in Mobility: Sabine, was genau bedeutet die Zulassung eines Schienenfahrzeugs?
Sabine Bartel-Krombholz: Alles, was dazugehört, um die Kompatibilität des Fahrzeugs mit der Infrastruktur darzustellen. Man arbeitet mit den entsprechenden Gutachtern an der technischen Kompatibilität, führt Tests durch und arbeitet die nötigen Unterlagen aus. Nachher reicht man sie bei den entsprechenden Behörden ein, stellt das Projekt vor und bekommt dann "einfach" am Ende eine Zulassung. Einfach in Klammern, natürlich.
Was ist der Fall, wenn es einfach ist? Wie sieht eine ideale Zulassung aus?
Es ist wichtig, dass die Zulassung, auch wenn es die letzte Projektphase ist, von Anfang an mitbetrachtet wird. Im Idealfall steigt man schon während der Bid-Phase ein, damit bei der Abgabe des Angebots schon klar ist, ob das Fahrzeug die Anforderungen erfüllt. Spätestens aber bei Projektstart wird die Zulassungsstrategie festgelegt. Es werden alle Anforderungen gesammelt und an die Ingenieure und Fachexperten übergeben. In den weiteren Phasen macht es auch Sinn, dass die Zulassung begleitend mitläuft. Letztendlich muss das Fahrzeug am Ende so aussehen, wie es gefordert ist.
Gleichzeitig müssen die Dokumente entsprechend erstellt, die Tests spezifiziert und geplant werden. Nachher werden die fertigen Unterlagen zur Behörde gebracht und dann ist das Zulassen eigentlich nur ein Brief. Das ist das perfekte Vorgehen, was sich aber in meinen 20 Jahren Zulassungserfahrung noch nicht ergeben hat. Das weniger perfekte ist leider die Normalität.
Was ist deiner Meinung nach der Grund dafür?
Man versucht in jedem Projekt die Lieferzeiten und Kosten zu optimieren und leider oft in der Zulassungsphase, weil das die letzte Phase eines Projekts ist, wo man glaubt, noch Zeit gewinnen zu können. Es geht dann leider auf Kosten von Qualität bei der Übergabe in die Zulassungsphase. Das heißt, entweder hat man das Fahrzeug nicht fertig entwickelt und gibt so ein 75-80% fertiges Fahrzeug zu Zulassungstests. Dann sind die meisten Tests nicht erfolgreich und müssen nochmal gemacht werden. Oder man hat am Anfang nicht alle Anforderung berücksichtigt, was man erst bei der Fertigstellung von Unterlagen für die Behörden oder Gutachter wahrnimmt.
Was hat das für Folgen?
Man muss teilweise neu entwickeln, teilweise den ganzen Prozess nochmal starten. Das macht die Zulassung nicht nur länger, sondern auch unbeliebt. Wenn die Zulassung nicht da ist, kann ich ein Fahrzeug nicht an den Kunden übergeben und dann habe ich sowohl meinen Erfolg, als auch das Prestige vom Unternehmen in der Außenwirkung und das Projekt finanziell beeinträchtigt.
Bild: Skoda
"Normen gibt es in Deutschland viele…"
Welche Tests müssen an den Fahrzeugen durchgeführt werden?
Nehmen wir Beispiel Deutschland, weil es mir natürlich am nächsten liegt. Wenn es um eine Neuentwicklung geht, müssen die deutschen Anforderungen beachtet werden und das bringt auch ein ganzes Paket an Tests mit sich, die zu erfüllen sind.
Erstmal wird man das Fahrzeug in Betrieb nehmen und eine validierte Software auf das Fahrzeug einspielen, das heißt auch Validierung.
Das Testing fängt dann mit dem fahrdynamischen Test an. Dann macht man Bremstest, EMV, also der Nachweis elektromagnetischer Verträglichkeit.
Dazu gehört auch das Thema Achszähler, um nachzuweisen, dass das Fahrzeug im Schienennetz erkannt wird.
Weiter testet man Zugsicherung – dass das Fahrzeug in der entsprechenden Signalisierung funktioniert.
Das Noise Level, also der Geräuschpegel, wird auch immer geprüft.
Das sind so die Highlights, bei denen man erstmal nachweisen muss, dass das Fahrzeug kompatibel und konform zu den Anforderungen ist.
Hast du den Überblick, wie viele gültige Normen es in Deutschland gibt, die sich auf Schienenfahrzeuge beziehen?
Nein, das kann ich nicht sagen, es gibt viele!
Gibt es auch einige spezielle Anforderungen, die sich bei dir eingeprägt haben?
Es gibt in Frankreich ein ganz spezielles Thema – Gleisnebenschluss. Jedes Fahrzeug muss an einer bestimmten Strecke in der Bretagne fahren. In meiner bisherigen Karriere war ich dort schon fünf Mal. Die Schwierigkeit ist, dass es ein sehr spezielles Bewertungsverfahren gibt, welches sogar die Wetterkonditionen spezifiziert.
Es kann also passieren, dass du heute bei 25°, Sonnenschein und 'Wind fährst und bestehst. Morgen fährst du bei gleichem Wetter, gleichen Konditionen und bestehst nicht. Es ist wirklich ein Trial and Error: fahren ohne darüber nachzudenken und die Daumen drücken, dass das Fahrzeug diesen Test besteht.
Bild: Skoda
"Ich habe viel dadurch gelernt, dass ich auf dem Fahrzeug war"
Schienenfahrzeugzulassung ist ein sehr spezifischer Bereich. Wie bist du Zulassungsmanagerin geworden?
Ja, das ist vielleicht ein bisschen kurioser. Ich habe damals bei meinem ehemaligen Arbeitgeber an Projekten im Bereich Logistik gearbeitet, war zwei Jahre in Spanien und als ich zurückgekommen bin, wurde ich gefragt, ob ich Französisch spreche. Und ob ich die Zulassung in den französischsprachigen Ländern übernehmen möchte. Erstmal hat es sich nicht so super prickelnd angehört... Aber ich habe zugesagt und mache es jetzt seit 20 Jahren.
Kamen keine Zweifel bei dir hoch, bevor du den Job angenommen hast?
Ich hatte einen super Mentor und wurde von ihm immer sehr gefördert, auch in Bereichen Projektmanagement oder Logistik, die ich auch ohne vorherige Erfahrung übernommen und eigenverantwortlich durchgeführt habe. Und als die Frage kam, was mache ich, nachdem ich aus Spanien zurückkomme, war die Stellenauswahl nicht so riesig.
Mein Mentor, mein damaliger Chef, hat gesagt: „Sabine, versuch dich irgendwie zu spezialisieren, mach irgendwas besonders.“
Am Anfang wusste ich nicht, ob Zulassung auch wirklich was Besonderes sein sollte, erstmal kam mir das doch sehr trocken vor, aber jetzt im Nachhinein muss ich sagen, er hatte recht. Zulassung ist gerade in unserer Branche ein sehr spezielles Thema, wo jeder Hersteller etwas zu tun hat, jeder hat da seine Themen, Probleme und Schwerpunkte.
Du musst also ordentlich On-the-Job lernen.
Also erstmal muss man das ganze Thema Schienenfahrzeuge mögen. Am Anfang muss man viel lesen – alle Richtlinien, Normen, Prozesse... Man muss auch immer aktuell bleiben, in allen Ländern, die man betreut, weil sich auch die gesetzlichen Richtlinien immer ändern. Ich habe mir auch dadurch viel angeeignet, indem ich viel auf den Fahrzeugen mitgefahren bin, mit den Behörden und Gutachtern direkt Kontakt aufgenommen habe. Ich sprach auch viel mit den nationalen Stakeholdern, mit den Infrastrukturmanager und hat mir so ein bisschen die Theorie, die ich gelesen hatte, mit der Praxis verbunden.
Wie lange hat es gedauert, bis du dich sicher im neuen Job gefühlt hast?
Ich bin ziemlich schnell ins Projekt reingekommen, also bin ganz klassisch ins kalte Wasser geworfen worden. Am Anfang habe ich vor allem für externe Gespräche immer eine Unterstützung mitgenommen, entweder technisch, um die technische Seite abzudecken oder auch einfach einen Kollegen, um das Vier-Augen-Prinzip zu haben. Bis ich mich selbst sicher gefühlt habe, das war ungefähr nach zwei Jahren. Danach bin ich auch alleine zu den Behörden gefahren, und habe dort mein Glück versucht.
Bild: Skoda
"Man kann den Job für sich entwickeln"
Was macht dir an deinem Job Spaß?
Für mich ist es immer wichtig, dass mein Job viel mit Kommunikation zu tun hat, intern und extern. Mir macht es Spaß, von Anfang an in einem Projekt mitzuarbeiten, weil ich sehe, wie das Projekt wächst. Ich mag es, die Zulassungsstrategie aufzuarbeiten. Und dass mir die anderen zuhören müssen (sie lacht).
In den 20 Jahren konnte ich es mir immer so anpassen, dass es für mich was Neues war und dadurch interessant geblieben ist. Es gibt Strategien und Strukturen, die man einhalten muss, aber man kann es für sich entwickeln und den eigenen Weg finden. Entweder man ist jemand, der viel mit Anforderung und am Rechner arbeitet, in Ruhe sitzt und es strukturiert angeht. Oder vielleicht ist man jemand, der, so wie ich, gerne redet und viel auch in den Austausch mit anderen geht.
Es gibt aber bestimmt auch trockene Aktivitäten. Welche sind es für dich?
Natürlich gibt es auch die. Für mich sind es Kalkulationen und Terminplanung, beides wiederholt sich, ist immer relativ ähnlich und manchmal können die Diskussionen darüber sehr frustrierend werden.
Und was findest du spannend an der Mobilitätsbranche?
Als ich mich im Bereich Schienenfahrzeuge – Lokomotiven beworben habe, wusste ich nicht, worauf ich mich einlasse. Aber nach ungefähr einem Jahr war es mir klar, ich kann nicht mehr raus! Es ist ein super interessantes Produkt. Für mich ist es das Gebilde, am Ende von allen Vorgängen zu sehen, wie die Lok rausfährt, egal für was man verantwortlich ist. Etwas bewegen, was sich dann bewegt. Das hat mich von Anfang an fasziniert.
Wie sieht deine Work-Life-Balance aus?
Ich arbeite momentan 100 % im Homeoffice, damit lässt sich also die Balance sehr gut handhaben, auch die Anzahl der Projekte hält sich momentan im Rahmen. Das war vorher anders. Also es kommt darauf an, wie viele Projekte auf einmal laufen.
Wie viele Kolleginnen hast du?
Ich muss sagen, wir sind in unserem Bereich relativ viele Frauen, bei meinem vorherigen Arbeitgeber waren es tatsächlich die Hälfte.
Und wie sieht es bei den Zulassungsbehörden aus?
Da muss ich darüber nachdenken... Nö, da gibt‘s nur Männer! Also in den Ländern, in denen ich aktiv war, Frankreich, Belgien, Luxemburg, Niederlande und Deutschland, und die ERA (European Railway Agency), habe ich eine Frau als Ansprechpartnerin, ansonsten Männer.
Was sind weitere Karrieremöglichkeiten im Zulassungsbereich?
Unabhängig vom Arbeitgeber gibt es entweder Zulassungsspezialisten, Manager oder Abteilungsleiter für Zulassung. Man kann sich mit der Erfahrung bei einer Behörde bewerben, also die Seite wechseln, oder bei Gutachtern oder ähnlichen Organisationen starten. Alternativ kann man auch firmenintern in andere Bereiche, Engineering, Projektmanagement oder ähnlichem wechseln. Nach den Erfahrungen im Bereich Zulassungsmanagement wird man auch dort gut einsteigen können.
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