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“Ich setze mich für umweltfreundlicheres Fliegen ein”

Tine Haas ist womeninengineering, womeninaviation – und auf der ganzen Welt unterwegs. Unsere Mobilmacherin der Woche hat ursprünglich Eisenbahnbau studiert. Heute berät Tine bei Dornier Consulting Flughäfen in Sachen Nachhaltigkeit.



Tine Haas spricht auf dem Annual Congress & General Assembly des internationalen Flughafenverbandes ACI über Frauen in Ingenieursberufen. Bei der Passenger Terminal Conference in Paris diskutiert sie über neue Mobilitätsstrategien für Flughäfen, um Emissionen zu reduzieren. Sie moderiert Panels in Palermo und Rom und wurde 2021 zur europäischen Vertreterin in das World Business Partner Advisory Board des internationalen Flughafenverbandes ACI gewählt.


Seit mehr als 15 Jahren arbeitet unsere Mobilmacherin der Woche bei Dornier Consulting International GmbH, einem internationalen Beratungs- und Projektmanagementunternehmen, das zur Dornier Group gehört. Die Dornier Group berät Unternehmen aus den Bereichen Mobilität, Erneuerbare Energien, Energie & Umwelt, und Wasser. Tines‘ Spezialgebiet ist Luftfahrt. “Ich setze mich für grüneres, umweltfreundlicheres Fliegen ein. Auch der Flughafenbetrieb kann - durch den Einsatz grüner Energie zum Beispiel - viel umweltfreundlicher werden.”

So hat sie zum Beispiel am kürzlich vorgestellten Innovationprogramm Innovate2Fly der German Business Aviation Association e. V. (GBAA) und der Interessengemeinschaft der regionalen Flugplätze (IDRF) mitgearbeitet, das sich die Unterstützung von Innovationsprojekten zur Emissionsminderung in der Luftfahrt zum Ziel gesetzt hat.


Großes Einsparpotenzial an Terminals und auf dem Vorfeld

Schon beim Energieverbrauch der Terminals lasse sich sehr viel einsparen, sagt sie. Das fange bei der Nutzung grüner Energien für Beleuchtung, Rolltreppen, Gepäckbänder & Co an. Zusätzlich könnten Airports ihren eigenen Strom erzeugen - beispielsweise über Solarpanels auf den Dächern der Gebäude oder entsprechende Solarzellen auf den Flächen um den Flughafen herum. “Mit dem Solarstrom von den Dächern und ungenutzten Flächen könnte man Vorfeldfahrzeuge und Abfertigungsgerätbetreiben”, sagt Tine.

Momentan haben wir bei grüner Energie noch ein Infrastruktur- und ein Netzproblem. Wären alle Fahrzeuge und Schlepper eines Flughafens ab jetzt elektrisch, könnten das die Netze am Flughafen oft gar nicht stemmen. Im internationalen Vergleich sind wir in Deutschland noch unterentwickelt. In den nordischen Ländern sieht es ganz anders aus.

Tine Haas, Director Airports and Aviation bei Dornier Consulting


Auch bei der Nutzung von Fahrzeugen am Flughafen und drum herum gebe es ein großes Einsparpotenzial.

Sie erlebe zum Beispiel, dass auf dem Vorfeld der Airports viele Fahrzeuge leer unterwegs seien: ein Shuttle bringt Mitarbeiter:Innen zur Schicht in die Cargohalle und fährt leer zurück, der nächste bringt die Vorfeldlotsen zur Kantine und das dritte Fahrzeug die Crew vom Flieger zum Terminal. “Da hat oft niemand einen richtigen Überblick, wie viele Autos wohin unterwegs sind. Hier könnte man viel effizienter sein und Shuttles organisieren. Das spart nicht nur Energie, sondern auch Parkflächen auf dem Vorfeld. Und natürlich Betriebskosten, denn eine kleinere Fahrzeugflotte wäre ausreichend.”


Sustainable aviation fuels (SAF): Öko-Sprit gibt's auch für Flugzeuge


Der größte Anteil der CO2-Emissionen beim Fliegen entsteht durch die Verbrennung des Kerosins. Zwar gibt es Bio-Kerosin, wie es auch Bio-Kraftstoffe für PKW gibt. Diese sogenannten sustainable aviation fuels, kurz SAF, kommen allerdings in der Luftfahrt bisher kaum zum Einsatz. Sie sind derzeit vier Mal so teuer wie normales Kerosin und werden bisher nur in ganz kleinen Mengen produziert. “Selbst wenn eine Airline bereit wäre, den höheren Preis zu zahlen, kann sie das notwendige SAF gar nicht beziehen, da der Markt dafür noch in den Kinderschuhen steckt ”, sagt Tine.

Die Flugzeuge, die aktuell im Einsatz sind, sind bis zu einer Beimischung von 50 Prozent Biokraftstoff zertifiziert. Derzeit arbeiten die Flugzeughersteller an einer Zertifizierung für 100 Prozent Bio-Kerosin.

Tine Haas, Principal bei Dornier Consulting


SAF bestehen, wie Biokraftstoffe für PKW auch, aus landwirtschaftlichen Abfällen, gebrauchtem Öl aus Gastronomiebetrieben und Industrieabfällen. Zum Teil werden sie auch in einem chemischen Prozess - Power to liquid (PtL) - gewonnen.

Das Problem sei, dass es nicht genug Abfälle gebe, um daraus PKW-Treibstoffe und Kerosin herzustellen. “So viele Fritten kann man gar nicht essen, wie man Öl bräuchte, um ausreichend Kerosin zu produzieren”, so Tine. Hinzu komme aktuell noch der Kostenfaktor: weil nur sehr wenig produziert wird, ist das Bio-Kerosin viel teurer als normaler Treibstoff.

Power to liquid dagegen sei ein sehr energieintensiver Prozess, was das aus Strom hergestellte Bio-Kerosin ebenfalls sehr teuer macht. “Mit einer Solarfarm in Afrika kann man wesentlich mehr Strom erzeugen als in Deutschland, weshalb es Überlegungen gibt, die SAF Produktion in Afrika anzukurbeln”, sagt Tine.

Die Differenz vom herkömmlichen Kerosin zu SAF ist in der kommerziellen Luftfahrt recht groß. Anders sieht es bei der Business Aviation aus, z. B. bei Unternehmen mit privaten Flugzeugflotten. “Diese Firmen sind wirklich bereit, einen höheren Preis zu zahlen, um grün fliegen zu können. Anders als die kommerzielle Luftfahrt müssen sie aber auch das Kerosin versteuern. Das Delta zwischen dem, was sie heute für Treibstoff zahlen und dem, was grüner Treibstoff kostet, ist also längst nicht so groß”, erklärt Tine.


Ich finde diese Flüge für 9,99 Euro fürchterlich. Das ist doch nicht der wirkliche Preis. Wenn die Leute fliegen, dann sollten sie auch bereit sein, den tatsächlichen Preis dafür zu bezahlen.

Tine Haas, Director Airports & Aviation bei Dornier Consulting


Bei Flughäfen häufen sich mittlerweile die Anfragen der Firmen, ob SAF am Standort getankt werden kann. In Deutschland ist das bisher an nur wenigen Standorten möglich, z.B. am Flughafen Köln/Bonn.


Beimischungsquoten von fünf Prozent bis 2030

Weil die Flugzeuge auf hohe Beimischungsquoten ausgelegt sind, sind die SAF trotz des Preises für Tine eine sinnvolle und vor allem kurzfristig umsetzbare Lösung. “Man muss die Flugzeuge nicht umrüsten, die Infrastruktur nicht verändern - man könnte direkt loslegen.”

Bisher liegt die durchschnittliche Beimischungsquote für Bio-Kerosin wegen der Knappheit in den nördlichen Ländern im unteren einstelligen Bereich. Obwohl diese Länder weltweit Vorreiter in Sachen nachhaltiger Luftfahrt sind. Als Teil der Fit for 55 Package hat die EU Zielvorgaben von fünf Prozent bis zum Jahr 2030 vorgegeben.

“Die Industrie arbeitet schon jetzt daran, die EU-Vorgaben zu übertreffen, weil die Unternehmen sagen: in dem Tempo kommen wir nicht voran”, sagt Tine. “Ich finde es gut, dass die Industrie hier zusammenarbeitet. Wenn man es wirklich ernst meint und den Sektor reformieren will, dann geht es nicht alleine.”

Wenn man bei Amazon einen Artikel bestellt, der aus China kommt und morgen bei mir in Berlin ist, wird der geflogen. Anders ginge es gar nicht. Zwar ist es dann löblich, wenn dieser Artikel auf der letzten Meile mit einem Elektro-Van statt einem Dieselfahrzeug ausgeliefert wird. Aber wenn man sich den Footprint des gesamten Produkts anschaut, ist das lächerlich.

Tine Haas, Director Airports & Aviation bei Dornier Consulting


Alternative Antriebstechnologien wie in der Automobilwirtschaft sind in der Luftfahrt ebenfalls möglich, sagt Haas. Kurzstreckenflüge innerhalb Europas können elektrisch absolviert werden. “Das ist realistisch - und zwar bis zum Ende dieser Dekade. In 2020 hat EASA das erste Elektroflugzeug zugelassen, die Pipistrel Velis Electro. Neben dem Piloten hat ein Passagier Platz. Größere Maschinen, wie sie z.B. Heart Aerospace derzeit entwickelt, für bis zu 19 Passagiere wären ein denkbarer Business Case.”


Nachhaltige Luftfahrt kostet Geld

Denn ganz abschaffen lassen sich die Kurzstreckenflüge nicht, höchstens reduzieren. “In vielen Bereichen ist Luftfahrt unersetzlich. In den nordischen Ländern zum Beispiel überqueren Flugzeuge Fjorde, um Kinder zur Schule zu bringen oder Waren zu liefern.”

Airbus will zwar bis 2035 einen klimafreundlichen Jet präsentieren, der grünen Wasserstoff nutzt. Doch wie auch auf der Straße bleiben hier Herausforderungen, zum Beispiel bei der Wasserstoffspeicherung. “Bis zur Marktreife wird das Jahrzehnte dauern. Wenn wir nachhaltig fliegen wollen, müssen Kurzstreckenflüge mit SAF oder elektrisch geflogen werden, Langstrecke geht mittelfristig nur mit SAF“, sagt Tine.


Um die Luftfahrt umweltfreundlicher zu gestalten, komme es auf alle an, sagt Tine. Damit die Raffinerien die benötigten Mengen herstellen, müssen Airlines ihnen zusichern, größere Mengen zu einem bestimmten Preis abzunehmen. Genauso müssen die Flughafenbetreiber ihren Teil dazu beitragen und mehr auf grüne Energie setzen. “Wir Konsumenten müssen uns überlegen, ob wir überhaupt fliegen müssen und ob sich kurze Strecken nicht anders, zum Beispiel mit der Bahn, zurücklegen lassen”, sagt sie. „Wenn wir in der Zukunft nachhaltig fliegen wollen, dann müssen wir dafür mehr Geld ausgeben.”

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