Kristina Maria Brandstetter, Jahrgang 1979, kommt aus der TechBranche. Gelandet ist sie dort eher zufällig. Um Mädchen und Frauen auf ihrem Weg in die IT zu unterstützen, engagiert sie sich heute ehrenamtlich im Verein #thenewITgirls. Seit Kurzem arbeitet Kristina Maria in der Mobilitätsbranche und stellt Parallelen zur IT fest. Zum Beispiel, was Unternehmen tun können, um für Frauen attraktiver zu sein.
Kristina Maria Brandstetter ist Kommunikationsgeneralistin und Digitalisierungsspezialistin mit einer besonderen Vorliebe für Technologie und über 25 Jahren Erfahrung von Start-up bis Unternehmenskommunikation. Kristina Maria arbeitet bei AustriaTechech, einer Tochter des Österreichischen Bundesministeriums für Klimaschutz, die sich mit allen Themen rund um die Mobilitätswende beschäftigt. Von Sharing und E-Mobilität, über Datenzugang und -modelle bis hinautomatisierten Fahren. Seit Ende Juli 2023 leitet sie die Kommunikations- und Transformationsabteilung.
Sie sagt über sich, dass sie als „Xennial“ eine analoge Kindheit und eine digitale Jugend gehabt habe und in beiden Welten zu Hause sei. Die sie täglich verknüpfe. Das sei es, was für sie digitale Transformation ausmache. Auch ermutigt sie gerne Frauen, Karriere in männerdominierten Branchen einzuschlagen und Familie und Karriere zu verwirklichen.
„Es gibt Studien, die zeigen, dass Mädchen und Buben bis zum Alter von elf gleichermaßen an Technologie und Technik interessiert sind. Mit 16 interessieren sich Mädchen dann gar nicht mehr dafür. Irgendwo zwischen elf und 16 erziehen wir ihnen das quasi gesellschaftlich ab.“
Kristina Maria Brandstetter, Leitung Kommunikation & Transformation bei AustriaTech
Ihr Herz schlage für die Themen Innovation, Nachhaltigkeit sowie Diversität und Technologie. Deshalb setzt sie sich als Vorstandsmitglied des Vereins zur Förderung von Frauen in der IT #thenewITgirls dafür ein, die IT-Branche für Frauen attraktiver zu gestalten.
Dabei ist Kristina Maria – trotz ihrem Interesse an Technik – eher zufällig in einem technischen Bereich gelandet, wie sie erzählt. „Ich zum Beispiel war auf dem Gymnasium die Beste in Physik, weil mich das extrem interessiert hat. Mein Physiklehrer wollte unbedingt, dass ich Astrophysik studiere.“ Mit ihrer Mathematiklehrerin dagegen stand sie auf Kriegsfuß. Aufgaben, die ihr in Physik leicht fielen, konnte sie in Mathe nicht lösen.
„Wegen dieses Mathematik-Traumas habe ich Technik als Berufsfeld nicht im Blick gehabt. Und in Informatik haben wir am uralten Schulcomputer in der Bibliothek Lemmings gespielt, mehr haben sie uns nicht beigebracht. Dass das ein zukunftsträchtiges Berufsfeld ist, war mir damals gar nicht bewusst“. Berufsberatungen in diese Richtung habe es keine gegeben. Weder an der Schule noch vom Arbeitsamt. Nach ihrer Matura habe sie studieren wollen, fühlte sich aber überfordert, zu vielfältig waren ihre Interessen.
Als ich in dieser riesigen Schlange Stunden lang angestanden bin, habe ich hin und her überlegt, was ich eigentlich studieren möchte. Physik? Biologie hat mich total interessiert, aber ich wusste nicht, was ich konkret damit machen sollte. Weil ich auch sehr kreativ bin und auf ein Musisches Gymnasium gegangen bin, habe ich auch überlegt, etwas in diese Richtung zu machen. Irgendwann war ich dann dran und die Frau schaute mich an und fragte mich, was ich studieren will und ich wusste es noch immer nicht.
Kristina Maria Brandstetter, Leitung Kommunikation & Transformation bei AustriaTech
An der Universität habe man ihr dann empfohlen, Kommunikation zu studieren, damit sie über all die unterschiedlichen Themen schreiben könne, die sie interessieren. „Weil es ein Doppelstudium war, hat sie mich noch gefragt, was ich dazunehmen will: Politikwissenschaft? Geschichte? Weil mich Geschichte interessiert, habe ich mich für Kommunikationswissenschaft und Geschichte inskribiert“, sagt Kristina.
Ihr Fokus sei aber immer Technik geblieben: Radiogeschichte, Geschichte der Computer, Soziologie des Internets, die ersten Hypertextprojekte „Da habe ich meine Liebe zu Digitalisierung entdeckt, die mir bis heute geblieben ist. Ihre Diplomarbeit habe sie über die Entwicklung des Onlinejournalismus in Österreich geschrieben.
Später arbeitete sie u.a. auf einer befristeten Karenzvertretungsstelle beim Austrian Institute of Technology und machte nebenbei ihren MBA in International Management and Communications an der FHWien der WKWAls ihr Vertrag nicht mehr verlängert werden konnte, sei sie optimistisch gewesen, schnell etwas Neues zu finden. Bis sie feststellte, dass sie schwanger ist.
Als ihre Tochter vier Monate alt war, habe sie sich auf Jobsuche begeben. „Ich habe ganz viele Einladungen bekommen aufgrund meiner Qualifikationen und meines Lebenslaufs, aber sobald ich ein Sterbenswörtchen von meinem Kind erwähnt habe und die erfahren haben, wie alt sie ist, war es jedes Mal vorbei.“
Das ging so lange, bis einer ihrer MBA-Kommilitonen ihr geraten habe, sich bei seinem Arbeitgeber, einer IT-Firma, zu bewerben. „Er hat mir die ganzen Vorteile verkauft – Flexibilität, Homeoffice - Das war mein Start in der IT.“
In der sie sich direkt wohl fühlte: „IT und Digitalisierung ist o viel mehr als nur Programmieren. Es hat extrem viel mit Menschen zu tun, mit Kreativität, Lösungsorientiertheit, mit Vernetzung, mit zusammenbringen und mit dem Wunsch, die Welt zu verändern. Das ist einfach meins.“
Herausforderungen und Chancen: Frauen in Technik und Mobilität fördern
Dass Frauen trotz Interesse an Technik keine technischen Berufe ergreifen oder wie Kristina Maria nach Umwegen in der Tech Branche landen, ist leider nicht ungewöhnlich. „Die Geschichte, wie ich an der Uni zum Einschreiben angestanden habe und nicht wusste, was ich studieren soll, ist ganz lustig, aber wenn man es genau betrachtet, ist es traurig, weil mich niemand darauf vorbereitet hatte. Vielleicht hätte ich Informatik studiert, wenn ich andere Prämissen gehabt hätte“, sagt sie.
Deshalb sei es ihr heute auch so ein Anliegen, Mädchen und Frauen zu motivieren, in technische Berufe zu gehen und Quereinsteigerinnen zu unterstützen. „Ich finde Sichtbarkeit von Frauen in männerdominierten Branchen deshalb so wichtig, weil Rolemodels anderen jungen Frauen und Mädchen zeigen, welche Vorteile es hat, dort zu arbeiten und dass die Wege in die Branche unterschiedlich sind.“
Das gelte sowohl für die IT- als auch die Mobilitätsbranche. Allgemein seien sich beide Branchen sehr ähnlich, sagt Kristina Maria Beide sind technisch geprägt, wichtig für eine digitale und nachhaltige Zukunft, männerdominiert – und stark vom Fachkräftemangel betroffen.
„In Österreich beispielsweise fehlen in der IT mittlerweile rund 60.000 Fachkräfte pro Jahr. Die Branche hat deshalb einen immensen Druck und muss attraktiver für Frauen werden“, sagt sie.
Entsprechend präsentiere sich die Branche mittlerweile anders, werbe mit Flexibilität und Vereinbarkeit, biete Förderprogramme für Neulinge und Quereinsteiger:innen an und mache Frauen in den Unternehmen zunehmend sichtbarer.
In der Mobilität, so Kristina Maria, erlebe sie dieselben Herausforderungen: es fehlen Fachkräfte, junge Menschen zieht es in andere Jobs, es gibt nur vergleichsweise wenig Frauen. Den Druck, sich verändern zu müssen, sei aber scheinbar noch nicht so groß.
Dabei sei es gar nicht so schwierig, Frauen von dieser im Wandel befindlichen Branche zu überzeugen. Nachhaltigkeit, Umweltfreundlichkeit, Verkehrswende das seien doch gute Argumente. Was häufig verbessert werden müsse, sei die allgemeine Sichtbarkeit von Frauen. In den Unternehmen, aber auch auf den Bühnen der großen Branchenevents.
„Egal ob IT oder Mobilitätsbranchen - auf den Konferenzen ist die Frauendichte noch extrem gering. Und wenn Frauen da sind, sitzen sie oft in den Diversity-Panels im Rahmenprogramm. Ich will sie aber auf der Hauptbühne zu gleichen Teilen in einem Podium sehen.“
Kristina Maria Brandstetter, Leitung Kommunikation & Transformation bei AustriaTech
Natürlich gebe es in der sowohl in IT als auch Mobilität mittlerweile vereinzelt Frauen in Vorständen. Auch in den Juniorpositionen seien viele. Dafür noch immer zu wenig im Mittelbau. „Wenn es im mittleren Management keine Rolemodels hat, die nach unten wirken, junge Kolleginnen begeistern und befördern, rückt eben auch niemand nach.“ Gibt es auf den mittleren Ebenen nicht genug Frauen, können die oberen Etagen immer nur durch externe Führungskräfte besetzt werden. Auch kein gutes Signal an die eigene, weibliche Belegschaft. In der Austriatech ist das anders, hier liegt der Frauenanteil durch gezielte Förderungsmaßnahmen bei 56%.
Die Förderung und das Sichtbarmachen von Frauen in den Unternehmen und branchenübergreifend ist ihr wichtig, Initiativen wie Women in Mobility daher umso wichtiger. Ein Thema, das ihr wichtig sei, sei Das betreffe zum Beispiel auch die Repräsentanz von Frauen auf Veranstaltungen mit immer noch verbreiteten „allmale“ - Panels. „Es ist einerseits die Aufgabe der Unternehmen, Frauen zu Konferenzen zu schicken und dort sprechen zu lassen. Und sie auf der anderen Seite auch im Vorfeld zu fördern, dass sie das können“, sagt sie. „Wenn ich nie die Gelegenheit hatte, einmal im geschützten Rahmen einen Vortrag zu halten, werde ich nicht gleich vor einem großen Publikum eine Keynote zu halten.“
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