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Mein Ziel ist es, alle Aspekte des Verkehrs zu betrachten

Wie plant man Mobilität im ländlichen Raum, die klimafreundlich ist und für möglichst alle funktioniert? Catherine Schupp, Leiterin der Verkehrsplanung in Ravensburg, setzt auf Bürgerbeteiligung, Daten und innovative Mobilitätslösungen. Ihr Projekt: der Stadtbusverkehr und die Mobilitätspunkte innerhalb der einzelnen Gemeinden, sowie ein Radschnellweg, der die einzelnen Orte verbindet.

Catherine Schupp steht mit einem eBike auf einer Brücke, die über einen Fluss in einer Altstadt führtbei der Stadt Ravensburg
Catherine Schupp, Head of Transportation Planning bei der Stadt Ravensburg.

In Deutschland gibt es derzeit etwa 700 Verkehrsunternehmen, die im öffentlichen Personen-und Schienengüterverkehr tätig sind. Erst vor Kurzem ist ein Weiteres hinzugekommen: die Verkehrsbetriebe Schussental in der Region Bodensee-Oberschwaben.

Die Fachexpertin, die dieses frisch geborenen ÖPNV-Unternehmen bei der Entwicklung des Stadtbuskonzepts und deren Strategie im Hintergrund unterstützt, ist Catherine Schupp, Leiterin der Verkehrsplanung in Ravensburg.


Ihre Leidenschaft für Verkehrsplanung entdeckte sie an der American University of Beirut. Nach Projekten in Beirut, Kairo und Saudi Arabien zog es sie nach Deutschland. In Stuttgart machte sie ihren Masterabschluss und arbeitete anschließend in der freien Wirtschaft sowie der kommunalen Verkehrsplanung. Heute ist sie Head of Transportation Planning bei der Stadt Ravensburg und plant multimodale und inklusive Mobilitätsangebote für ihre Region. Die Verkehrsingenieurin ist zum Beispiel Leiterin des Projekts „Klimamobilitätsplan“ für den Gemeindeverband Schussental, zu dem neben den Städten Ravensburg und Weingarten auch die Gemeinden Berg, Baienfurt und Baindt gehören.  Rund 90.000 Menschen leben im Einzugsgebiet.


Für sie alle will Catherines ein nachhaltiges, klimafreundliches und vor allem multimodales Mobilitätsangebot schaffen. „Mein Ziel war es, nicht nur eine Verkehrsart zu planen, sondern alle Aspekte des Verkehrs integriert zu betrachten und auch alternative Mobilitätslösungen anbieten zu können“, sagt sie.

Dafür integriert sie bei der Planung, was sich die Menschen in der Region wünschen. So hat sie bei Online-Umfragen und Workshops mehr als 2.000 Menschen in die Planung ihres Mobilitätskonzepts einbezogen. Bei Pop-up-Aktionen, etwa an Wochenmärkten, konnten die Bürger:innen Angebote ausprobieren und direkt Rückmeldungen geben.

Catherine Schupp bei einer Pop-up-Aktion mit einer Bürgerin und einem Bürger in Ravensburg.
Catherine Schupp bei einer Pop-up-Aktion in Ravensburg (Copyright: experience consulting GmbH)

Ein anderes Beispiel für aktive Bürgerbeteiligung in Ravensburg, die das Team von Catherine Schupp bearbeitet, ist der Fußverkehrscheck gefördert vom Land Baden-Württemberg. Dabei prüfen Schüler, Eltern und Fachleute gemeinsam die Sicherheit von Schulwegen. „Wir führen öffentliche Begehungen durch und schauen uns angemeldete Punkte an, um sie für Fußverkehr zu optimieren und sicherer zu gestalten,“ erklärt Schupp. Diese direkte Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort stärkt nicht nur die Akzeptanz der Projekte, sondern sorgt auch dafür, dass Maßnahmen den tatsächlichen Bedürfnissen entsprechen und Planungen eher nachfrageorientiert sind.


Ich finde alle Mobilitätsformen interessant und ich freue mich besonders, wenn ich intermodal im Bereich Bus und Fahrrad gut planen kann. Ein Projekt, das gerade bei mir zunächst anfängt, ist die Mobilitätsdrehscheibe am Bahnhof, wo wir eine Mobilitätsgarantie durch eine Verknüpfung von ÖPNV und Bike and Ride schaffen wollen. Wir bieten dort bereits heute Fahrradverleihstation sowie On-Demand Shuttle über die Stadtwerke an.

Catherine Schupp, Head of Transportation Planning bei der Stadt Ravensburg


Zusammen mit ihrem dreiköpfigen Team und den Fachplaner:innen aus den Gemeinden hat sie bereits ein integriertes Mobilitätskonzept für den Gemeindeverband Mittleres Schussental erarbeitet. Dazu gehören u.a auch die Mobilitätspunkte innerhalb der einzelnen Gemeinden, aber auch ein Radschnellweg, der die einzelnen Orte verbindet. Dank eBikes seien mehr Menschen bereit, das Auto auch einmal stehen zu lassen und das Fahrrad zu nutzen. Das wolle man fördern. Mit Kaufprämien, kostenlosen Rad-Checks, aber auch mit der passenden Infrastruktur. Jetzt kommt zum Mobilitätsangebot auch noch das neue Busunternehmen Verkehrsbetriebe Schussental hinzu, die ab 01.01.2027 die erste Stufe des Stadtbuskonzeptes betreiben wird.

Im Jahr 2026 laufen die Verträge mit den bisher beauftragten Busunternehmen in der Region aus. Dann sollen die Verkehrsbetriebe Schussental die Beförderung der Fahrgäste übernehmen. Das haben die Gemeinden Anfang des Jahres 2024 politisch beschlossen „Wir haben ja in der Region schon einige Linien im Bestand. Einige davon werden zurückgestellt, andere behalten wir und verbessern sie mit Taktverdichtung, Anpassung der Linienführung und diese Optimierungsmöglichkeit wird mit der AFZS-Daten künftig zielführend geplant“, sagt Catherine.



Aktuell laufen die Vorbereitung für die EU-weiten Ausschreibungen für die Stufe 1 des ÖPNV-Konzeptes. Schon jetzt sind in allen Bussen der Stadtbus Fahrgastzählgeräte und Sensoren installiert, die Catherine und ihrem Team wichtige Informationen über die Auslastung geben können. „Der Entscheidungsträger braucht genau zu wissen, wo wir das Geld investieren müssen“, sagt sie. Dazu braucht man zuverlässige Daten, um der Bürgermeister und der Gemeinderäte besser beraten zu können, damit auch wichtige Entscheidungen getroffen werden können.


Je nach Bedarf sollen Gelenkbusse oder kleine On-Demand-Shuttle die Kommunen miteinander verbinden. In einigen Bereichen habe man bereits Testfahrten mit Gelenkbussen gemacht, um die Praxistauglichkeit des beschlossenen Konzepts zu prüfen. Auch die Shuttles sind bereits als Pilotprojekt im Einsatz. „In Ravensburg bieten wir zwei Shuttles für je acht Fahrgäste an, die gezielt dort eingesetzt werden, wo der normale Busverkehr Lücken hat oder die Nachfrage sehr gering ist. Die Buchung erfolgt online, entweder im Voraus oder spontan. Dabei nutzen wir sowohl fixe als auch virtuelle Haltestellen“, erklärt Catherine. Das Angebot ist bei den Menschen vor Ort gut angekommen – die Fahrgastzahlen sind innerhalb von zwei Jahren von 150 auf 1.500 pro Monat gestiegen.


Finanziert wird das kommunale Verkehrsunternehmen nach einem festen Verteilungsschlüssel:

25 % basieren auf der Einwohnerzahl der jeweiligen Kommune, da diese das Mobilitätspotenzial widerspiegelt.

75 % basieren auf den Abfahrten innerhalb der Kommune – also wie oft Busse an den Haltestellen halten.


Dieser Schlüssel verhindere Entscheidungen für unwirtschaftliche Haltestellen und sorge dafür, dass die Kommunen ihre Haltestellen kritisch prüfen, sagt Catherine. Auf die Idee für dieses Konzept kam sie durch den Austausch mit Fachleuten aus Österreich und der Schweiz.


Mithilfe von Daten können wir den Auslastungsgrad, die Kostendeckung pro Linie und Abschnitt sowie weitere Parameter evaluieren. Sollten beispielsweise bestimmte Haltestellen wenig genutzt werden, können wir gezielt Maßnahmen ergreifen, wie die Umstellung auf On-Demand-Verkehre am Abend oder die Optimierung des Flottenmanagements.

Catherine Schupp, Head of Transportation Planning bei der Stadt Ravensburg


Die Analyse von Mobilitätsdaten spielt eine zentrale Rolle in Catherine Schupps Arbeit. „Mobilitätsplanung sollte nicht auf Bauchgefühl basieren, sondern fakten- und datenbasiert erfolgen. Verkehrsmodellierungen sind hierfür ein wichtiges Werkzeug“, sagt sie.

Auch brauche es einen integrierten Ansatz, bei dem alle Mobilitätsarten unter einem Dach vereint sind, um Alternativen zum Auto attraktiv zu gestalten. Wenn jeder Fachbereich für sich plane, dann könne auch kein Transportmittel übergreifendes Angebot entstehen. Deshalb sei auch die enge Zusammenarbeit mit den Partnerkommunen und Fachämter so wichtig. In manchen Projektteams arbeiten – trotz knapper Ressourcen - 14 bis 24 Menschen zusammen. Catherine als Vertreterin der Stadt Ravensburg habe eine beratende Rolle in GMS „Wir sind als Ravensburg die technische Verwaltung. Wir empfehlen und beraten wie ein Fachbüro. Aber die Entscheidung liegt bei euch“, sagt sie.

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