top of page

Mobilität ist Teil des Alltags, nicht nur der Weg zur Arbeit.

womeninmobility

Seit 10 Jahren setzt sich Women in Mobility dafür ein, dass Mobilitätsangebote die Bedürfnisse aller berücksichtigen. Das ist leider immer noch nicht der Fall. Taktungen, Radwege, Autos, Bus und Bahn: sie alle sind geplant für 1,78 Meter große gesunde Menschen auf dem Weg zur Arbeit.

Menschen in der Fulton Street Subway Station, New York
Die Verkehrs- und Mobilitätsplanung in den westlichen Ländern ist androzentrisch: sie orientiert sich am Verhalten und dem Körper des Durchschnittsmannes.

Women in Mobility ist vor zehn Jahren gegründet worden, um die Sichtbarkeit von Frauen in der Mobilitätsbranche sowie ihrer Mobilitätsbedürfnisse zu erhöhen. Seit zehn Jahren ermutigen wir Frauen, mit ihrer Expertise sichtbar zu werden. Wir haben ein Fachnetzwerk aufgebaut, in das sich diese Expertinnen einbringen, um sich zu vernetzen, aber auch, um für eine vielfältigere und nachhaltige Mobilität einzusetzen. In dem sie ihre Stimme und ihre Perspektive aktiv in den Mobilitätsdiskurs einbringen.


Grafik mit schhematischer Darstellung der Ziele von WiM: Netzwerk aufbauen, Sichtbarkeit, Nachhaltigkeit, Vielfalt leben, Mobilitätsdiskurs gestalten, Empowerment

Diese Ziele unseres Netzwerks sind genau das, was wir meinen, wenn wir von feministischer Verkehrswende sprechen: eine Mobilität, die für alle zugänglich und nachhaltig, sicher und von gleicher Repräsentanz aller Verkehrsteilnehmenden geprägt ist.


"Bei unseren Veranstaltungen möchten wir der feministischen Perspektive auf Verkehrspolitik Raum geben. Feministische Verkehrspolitik verstehen wir als ganzheitlichen Ansatz, der darauf abzielt, Gleichstellung und Chancengerechtigkeit im Verkehrssektor zu erreichen und gleichzeitig eine nachhaltige und sichere Mobilität für alle Menschen zu fördern. Wir lassen deshalb Frauen zu Wort kommen, die aus unterschiedlichen Rollen heraus mit diversen Sichtweisen auf Mobilität blicken."

Coco Heger-Mehnert, Co-Gründerin der Women in Mobility


Das ist sie heute nämlich noch nicht. Die Verkehrs- und Mobilitätsplanung in den westlichen Ländern orientiert sich an einem mittelalten, gesunden Mann von 1,78 Metern Körpergröße. Frauen, Kinder, ältere oder behinderte Menschen und deren Mobilitätsbedürfnisse werden in der Planung von Fahrzeugen, Städten, Bustaktungen und Straßen oder Mobilitätsangeboten jedoch nicht bis kaum berücksichtigt, wie auch eine Studie des Deutschen Luft- und Raumfahrtcentrums (DLR) zeigt. Besonders betroffen sind Bereiche wie Sicherheit, Funktionalität, Komfort und sanitäre Anforderungen, haben die DLR-Forscherinnen Dr. Laura Gebhardt, Sophie Nägele und Mascha Brost herausgefunden.

Beispiele für Mobilitätsunterschiede zwischen Männern und Frauen

 

Laut der Studie "Mobilität in Deutschland" legen Männer durchschnittlich 46 Kilometer pro Tag zurück, das sind 13 Kilometer mehr als Frauen. Männer nutzen dabei häufiger das Auto. Aber auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Fahrrad legen sie pro Tag längere Strecken zurück als Frauen.

 

Diese Unterschiede beginnen ab dem Alter, in dem Menschen typischerweise Familien gründen, und bleiben bis ins höhere Alter bestehen. Ein wesentlicher Grund für diese Differenzen ist die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung: Frauen übernehmen nach wie vor den Großteil der unbezahlten Sorgearbeit, was ihr Mobilitätsverhalten beeinflusst. Der Gender Care Gap, der den unterschiedlichen Zeitaufwand für unbezahlte Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern misst, beträgt aktuell 43,8 Prozent. Das bedeutet, dass Frauen durchschnittlich täglich 77 Minuten mehr für unbezahlte Sorgearbeit aufwenden als Männer.

Ihre Forschung zeigt: Gurte, Airbags und Crashtest-Dummys sind auf männliche Durchschnittswerte ausgelegt. Mit der Folge, dass Frauen bei Unfällen einem höheren Verletzungsrisiko ausgesetzt sind. Auch die Sitzposition in Autos stellt häufig eine Herausforderung dar, da Frauen auf Grund ihrer Größe den Sitz oft ganz nach vorne schieben müssen, um an Gaspedal und Bremse zu kommen. Bei Unfällen verletzen sie sich dadurch tendenziell schwerer als Männer.

„Ein Auto kleiner und bunter zu machen, reicht nicht aus, um die Funktionalität des Verkehrsmittels für Frauen zu verbessern. Wir brauchen neue und flexiblere Lösungen, welche die Unfallsicherheit gewährleisten und die Anforderungen einer großen Bandbreite von Nutzenden erfüllen“

Dr. Laura Gebhardt, Studienleiterin am Institut für Verkehrsforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)


Selbst der ÖPNV ist für Männer geplant – auch wenn ihn prozentual mehr Frauen nutzen: Haltestangen oder Halteschlaufen sind für viele Frauen zu hoch angebracht, um sich sicher daran festzuhalten. Gleiches gilt für Gepäckablagen: einen Koffer in die Ablagen zu heben, fällt den meisten Männern aufgrund ihrer Größe leichter als Frauen. Selbst Sitze und Fußrasten sind für Männerkörper geplant. Wer kleiner ist als 1,78 Meter, der sitzt im Zug deshalb auch weniger bequem.


Ein weiterer Faktor ist die Temperatur. Frauen empfinden Kälte anders als Männer und finden es in öffentlichen Verkehrsmitteln oft zu kalt.

Frauen sind außerdem oft mit Kinderwägen, Rollstühlen, Fahrrädern oder Einkäufen in Bus und Bahn unterwegs. Deshalb sind ihnen Dinge wie ein einfacher, barrierefreier Einstieg und genügend Platz für Gepäck oder Abstellmöglichkeiten besonders wichtig. Und weil Frauen oft höhere Ansprüche an die Hygiene der Toiletten haben als Männer, meiden sie manchmal Busse oder Bahnen auf längeren Strecken. Oder sie trinken absichtlich vor der Fahrt weniger, um im Zug nicht auf die Toilette gehen zu müssen.

Natürlich ist auch Sicherheit für Frauen in öffentlichen Verkehrsmitteln ein großes Thema. Sie fühlen sich oft unsicherer als Männer – und das nicht ohne Grund. Frauen nehmen das Verhalten anderer Fahrgäste anders wahr, besonders wenn jemand laut oder aggressiv auftritt. Auch unerwünschte Kommentare oder Blicke (wie „Catcalling“) oder das breite Sitzen von Männern („Manspreading“) können das Sicherheitsgefühl beeinträchtigen. Besonders nachts fühlen sich Frauen unsicherer und meiden deshalb häufig längere Fahrten oder bestimmte Strecken.


„Es ist wichtig, dass wir die Bedürfnisse und Anforderungen von Frauen kennen, damit sie bei der Gestaltung von Verkehrsmitteln miteinbezogen werden können. Sonst gehen Angebot und Bedarf aneinander vorbei“, fassen die DLR-Forscherinnen Dr. Laura Gebhardt, Sophie Nägele und Mascha Brost zusammen. „Um den Mobility Design Gender Gap zu schließen und bessere Lösungen zu gestalten, brauchen wir mehr Forschung zu geschlechtsspezifischen Bedürfnissen, Verhaltensweisen und Präferenzen.“ Dieses Wissen gelte es dann der Industrie, Verwaltung und Politik zur Verfügung zu stellen, damit Mobilität für alle geplant und gestaltet werden kann.

Und beim Verkehrsclub Deutschland e. V. heißt es: „Bei der Planung von ÖPNV und auch Radwegen darf nicht nur der Weg zur Arbeit mitgedacht werden, sondern die komplexen Wegeketten, die kleinen Wege und Multimodalität in den Vordergrund stellen. Mobilität muss als Teil der Alltagsorganisation verstanden werden, nicht nur als Weg zur Erwerbsarbeit.“



Es gibt schon gute Beispiele aus der Mobilität, bei denen die unterschiedlichen Bedürfnisse von Männern und Frauen berücksichtigt werden. Die Fahrradindustrie bietet zum Beispiel bequeme Sättel für ganz verschiedene Körperformen an. Generell sind die Ansprüche an Mobilität aber sehr vielfältig – sie gehen weit über das Thema „Mann-Frau“ hinaus. Es ist wichtig, auch die Bedürfnisse von Kindern, älteren Menschen, Menschen mit Behinderungen oder Menschen aus verschiedenen Kulturen einzubeziehen.


„Deshalb brauchen wir mehr Forschung, mehr Fachwissen für eine nutzerfreundliche Gestaltung und die aktive Beteiligung der Menschen bei der Entwicklung von Mobilitätsangeboten. Wir müssen Kompromisse eingehen, aber vor allem wegkommen von der Idee, dass ein durchschnittlicher Mann die wichtigste Grundlage für die Planung ist.“

DLR-Forscherinnen Dr. Laura Gebhardt, Sophie Nägele und Mascha Brost


Zusätzlich sollten Verkehrsplaner:innen und Designer:innen von Fahrzeugen eng mit der Forschung zusammenarbeiten, um die unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnisse zu verstehen und in die Planung einzubeziehen. Dies kann durch gemeinsame Workshops, Schulungen und die Integration von Gender-Perspektiven in Planungsprozesse erreicht werden. Genauso entscheidend ist die Zusammenarbeit zwischen Fahrzeugherstellern, Stadtplaner:innen und Fahrgästen, um Verkehrsmittel und Infrastrukturen zu entwickeln, die den Bedürfnissen aller Geschlechter gerecht werden.

 

MOBILITY NEWS

bottom of page