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Wie beeinflusst automatisiertes Fahren in Zukunft die Mobilität?

Deutschland soll Vorreiter beim automatisierten Fahren werden; autonome Fahrzeuge dürfen ab 2022 ohne Fahrer am Straßenverkehr teilnehmen. Was macht das mit dem ÖPNV, den Städten - und welche neuen Dienstleistungen sind dadurch möglich?


Bild von Julien Tromeur auf Pixabay


Der Bundestag hat dem Gesetzesentwurf von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CDU) mittlerweile zugestimmt: Ab dem Jahr 2022 sollen fahrerlosen Kraftfahrzeuge der sogenannten Stufe vier auf bestimmten festgelegten Strecken im öffentlichen Straßenverkehr unterwegs sein. Schon im Herbst 2021 starten die Leipziger Verkehrsbetriebe ein entsprechendes Pilotprojekt. Auch in NRW gibt es bereits eine ganze Menge Tests und Pilotprojekte rund ums automatisierte Fahren.


Beim #MoveUp des WiM Hubs Rhein Ruhr am 29. März haben wir über den Stand der Technik, Best Practice und denkbare Geschäftsmodelle diskutiert.

Wie Branchenexpert*innen die Veränderungen durch automatisiertes und autonomes Fahren bewerten und was sie für Geschäftsmodelle erwarten, hat uns Gudrun Traumann beim MoveUp erzählt. Damit gab sie einen kurzen Vorgeschmack auf die da noch unveröffentlichte Studie "Mobilität der Zukunft - Implikationen für die Geschäftsmodelle von morgen."

Heute, gut drei Monate später, schauen wir uns die Studie der Think Tank-Beratung Fortschritt von Matthias Achim Teichert und Marcus Dodt rgenauer an.


Über die Studie: Mobilität der Zukunft - Implikationen für die Geschäftsmodelle von morgen


Für die Studie hat die Beratung Fortschritt u.a. mit 75 Expert*innen aus unterschiedlichen Teilbereichen der Mobilität Interviews geführt. Sie wurden zu ihren Erwartungen rund um die Entwicklung des automatisierten Fahrens allgemein sowie dessen Auswirkungen auf die Mobilität, das Nutzer*innenverhalten und neue Geschäftsmodelle für Betreiber befragt. Dieser Studienteil wurde von Prof. Dr. Sabrina Schork (Hochschule Aschaffenburg) und Prof. Dr. Niels Biethahn (DHBW Heilbronn) begleitet.


Zusätzlich wurden jeweils 500 Männer und 500 Frauen (Durchschnittsalter 47 Jahre) zu ihrem Mobilitätsverhalten befragt: was ist ihnen auf dem Weg zur Arbeit, zum Einkaufen, in die Freizeit oder auf Reisen am wichtigsten - und wie viel sind sie bereit, für neue Mobilitätsangebote zu bezahlen.



Das erwarten Kund*innen von Mobilität

Was die Befragten von Mobilität erwarten, ist schnell zusammengefasst. Ein perfektes Angebot ist demnach:

  • pünktlich

  • bequem

  • schnell

  • individuell

  • flexibel

  • preiswert

Je nachdem, was das Ziel der Reise ist, gewichten die Menschen die genannten Faktoren unterschiedlich: Auf dem Weg zur Arbeit sind Pünktlichkeit und Flexibilität sehr wichtig, auf dem Weg zum Einkaufen spielt Pünktlichkeit kaum eine Rolle. Wenn's in den Urlaub geht, soll es bequem, individuell und exklusiv sein. Das darf dann auch was kosten. Wer nur zum Sport oder ins Kino fährt, will für die Fahrt nicht viel Geld bezahlen; erwartet aber auch nicht viel Komfort.


Das erwarten die Mobilitätsexpert*innen

Die Interviewten waren sich einig: Die Menschen wollen mehr intermodale Mobilität. Sie wollen mehr als nur die Wahl zwischen Auto, Bus, Bahn und Flugzeug, weshalb auch in Zukunft das Angebot vielfältiger werden wird. Unabhängig vom automatisierten Fahren. Die Befragten gehen davon aus, dass zwar der Bedarf nach Mobilität und der Verkehr zunehmen werden; das aber weniger Menschen ein eigenes Fahrzeug (egal welcher Art) besitzen wollen. "Die Experten beschreiben das autonome Verkehrsszenario durchweg als Game Changer in der Mobilität", heißt es in der Studie.

Bis vollständig autonom fahrende Fahrzeuge in Deutschland flächendecken Realität werden - auch auf der berühmten letzten Meile bis zur Haustür - werde es aber noch 20 bis 40 Jahre dauern.

"Ein industrialisiert umgesetzter Flottenbetrieb mit Robo-Taxis wird den motorisierten Individualverkehr (MIV) sowie in Teilen auch den heute üblichen ÖPNV ablösen."

Die Expert*innen gehen davon aus, dass das autonome Fahren zuerst in den Metropolen Realität wird. Erst danach würden die autonomen Mobilitätsangebote der öffentlichen oder privaten Anbieter auch sukzessive auf die Vorstädte ausgerollt. In Kombination mit Mikromobilitätsangeboten werde so die Anbindung an die Großstädte verbessert. So könnten beispielsweise Pedelecs im Zuge des Ausbaus von Radschnellwegen zu einer Option für größere Distanzen werden. In ländlichen Gebieten werde der PKW weiterhin das Fortbewegungsmittel Nummer eins bleiben, so die Befragten. Wegen der unwirtschaftlichen Bevölkerungsdichte und dem bis dato schleppenden und kostenintensiven Infrastrukturausbau (Mobilfunk, Leitsysteme, etc.) seien der Ausbau von autonomen Shuttles auf dem Land für private Anbieter nicht wirtschaftlich.


Auf längeren Distanzen von bis zu 100 Kilometern rechnen die Studienteilnehmerinnen mit dem Einsatz von autonome Robo-Taxis. Auf längeren Strecken könne dagegen die Bahn mit Schnellzügen attraktiv sein.


Welche Geschäftsmodelle sind in Zukunft denkbar?

Autonome Fahrzeuge werden in der Herstellung teurer sein als beispielsweise ein gewöhnlicher Linienbus. Außerdem benötigen sie eine andere Infrastruktur und viel mehr Software. Dafür sparen Betreiber Personalkosten und erhalten wertvolle Nutzungsdaten. Auf längeren Strecken könnten die Fahrzeuge den Passagieren die Fahrzeit durch zusätzliche individuelle Angebote angenehmer machen. All das werde sich aus Sicht der Befragten in den folgenden sechs Geschäftsmodellschwerpunkten niederschlagen.

  1. Hardware

  2. Software

  3. Daten

  4. Betrieb

  5. Energie & Infrastruktur

  6. Dual Use

Bei den Dual Use Services sehen die Befragten aber nicht nur Infotainment-Angebote wie Musik, Spiele, Filme oder Informationen für möglich. Auch Kooperationen mit anderen Dienstleistern seien denkbar. So könnte der Betreiber des Fahrzeugs zum Beispiel mit einer Supermarktkette kooperieren und deren Produkte an Bord anbieten.


Beispielsweise könnte die Transitzeit genutzt werden, um Sport zu treiben (Ersatz für das Fitnessstudio) oder bei Nachtfahrten als Alternative zur Hotelübernachtung dienen. Zusätzlichen besteht die Möglichkeit, die Insassen mit Werbung zu bespielen oder ein Transit von Dritten zu bezahlen zu lassen, wenn diese einen Mehrwert für sich erkennen.

WER WERDEN DIE BETREIBER SEIN?

Bisher sind die Betreiber von öffentlich zugänglichen Verkehrsmitteln die Verkehrsunternehmen sowie private Anbieter von Leihfahrzeugen. Bei voll-autonomen Shuttles erwarten die Studienteilnehmer*innen künftig einen Mix aus diversen Anbietern:

  • Fahrzeughersteller, die wahlweise nur als Hersteller und Zulieferer fungieren oder All-in-One-Lösungen anbieten und ihre Fahrzeuge selbst betreiben. Private Dienstleister werden den operativen Verkehr übernehmen und Strecken beziehungsweise Linien betreiben

  • ÖPNV-Verkehrsträger werden nach Ansicht der Experten weiterhin staatlich finanziert und beaufsichtigt und bleiben somit ein elementarer Bestandteil des Systems, allerdings als digitale Vertreiber der Angebote (Buchungsplattformen) und der Flotten (Betriebshöfe).

  • Die Deutsche Bahn werde im Fernverkehr weiterhin der dominante Anbieter sein.


Das Ergebnis: Flexible Mobilität für alle

Die befragten Expert*innen glauben, dass alle von autonomen Shuttles profitieren werden:

  • Die Nutzung bzw. Bereitstellung von Mobilitätsangeboten werde aufgrund der optimierten Betriebs- und Wartungsprozesse günstiger. Durch digitale Verkehrssteuerungssysteme komme es zu weniger Staus

  • Es wird weniger Unfälle geben

  • Robo-Taxis mobilisieren auch Menschen ohne Führerschein oder solche, die aufgrund einer Behinderung nicht (mehr) mobil sind.

  • Mobilität wird stressfreier.

  • Fahrtzeiten können für private oder berufliche Zwecke genutzt werden.


Mobilität im Straßenverkehr wird somit nicht mehr als „zeitfressendes“ Hindernis wahrgenommen, sondern als verfügbare Zeit




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