Die Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main (VGF) sucht Organisationsentwickler:innen. Sie sollen die Mitarbeitenden und das Verkehrsunternehmen fit für die Zukunft machen. Wir wollten wissen: was macht eigentlich eine Organisationsentwicklerin?
„Du brennst für Projektmanagement und Veränderungsprozesse? Du hast Lust, mit diesem Team für die Weiterentwicklung unseres Unternehmens zu sorgen? Als Projektleitung & Organisationsentwickler:in unterstützt du verschiedene Vorhaben der VGF“, heißt es in einer aktuellen Stellenanzeige der Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main (VGF).
Wir wollten wissen, was die gesuchten Organisationsentwickler:innen von den hier kürzlich vorgestellten Innovationsmanager:innen unterscheidet und haben beim Team der VGF nachgefragt.
Während die Innovationsmanager:innen zukunftsfähige Produkte und Dienstleistungen entwickeln und umsetzen sollen, ist es die Aufgabe der Organisationsentwicklung (OE), Veränderungsbedarfe festzustellen und Lösungen unter Einbeziehung aller Mitarbeitenden umzusetzen. Ebenso gilt es Strategien, Leitbilder und Ziele zu entwickeln und auf den Weg zu bringen beziehungsweise dabei zu beraten. Prozessoptimierung und Stakeholdermanagement sind fester Bestandteil dieser Aufgaben. Dadurch soll das Unternehmen insgesamt effizienter und erfolgreicher werden. Gleichzeitig sollen die Arbeitsbedingungen und Zufriedenheit der einzelnen Mitarbeitenden verbessert werden.
Von Strategieentwicklung bis New Work: Projekte aus der Organisationsentwicklung
Wie das konkret aussieht, erklären Anne Rückschloß, Dirk Dalichau, Katharina Haub und Tugce Yildirim von der VGF: „Wir hatten eine Arbeitsgruppe zu neuen Bürokonzepten für die VGF, in der wir uns damit beschäftigt haben, was die Mitarbeitenden brauchen und was wir brauchen, um attraktiv auf dem Arbeitsmarkt zu sein“, gibt Katharina ein Beispiel. Sie ist Teil des Teams Organisationsentwicklung und beschäftigt sich viel mit New Work im Unternehmen.
Ihre Arbeitsgruppe habe aus existierenden Regeln und Wünschen organisatorische Maßnahmen abgeleitet. Eines der Ergebnisse dieser Arbeit ist ein Experimentierfeld aus zwei Büros, einem Besprechungsraum und dem Innenhof, in dem die Mitarbeitenden neue Büro- und Arbeitskonzepte ausprobieren können. „Jetzt aktuell sind wir in der Testung. Es können alle Kolleg:innen vorbei kommen und für sich und ihren Bereich mit dessen individuellen Anforderungen das einfach mal testen.“ In einem anderen Projekt aus ihrem Bereich werden seit 2019 die Mitarbeitenden aller Hierarchiestufen fit gemacht für Themen rund um die digitale Transformation. Von der Geschäftsführung bis zum Fahrpersonal können alle an Workshops zu den Themen
1. Digitalisierung und Generation
2. Vuca
3. KI
4. Design Thinking als Methode
5. Medienkompetenz
teilnehmen.
Auch das Projektmanagement sei auf neue Füße gestellt worden, erzählt Tugce, die im Team OE für das Projektmanagement verantwortlich ist. Bis 2017 habe es zwar eine Richtlinie zum Projektmanagement gegeben, die aber nicht im vollen Umfang gelebt wurde. Mittlerweile arbeite das Unternehmen mit einer Software, einem Berichtswesen und Schulungen zur Befähigung der Mitarbeitenden. „Unser Konzept heißt STEP - Strukturiert und Effizient Projekte managen – und orientiert sich an PRINCE 2“, sagt sie.
Dadurch sollen Projekte bei der VGF schneller abgewickelt werden. Für Fahrgäste bedeutet das, dass Bauprojekte schneller fertig und Linien beziehungsweise Strecken zügiger freigegeben werden. Die VGF gibt dadurch außerdem – im Idealfall – weniger Geld aus.
Eines der größten Projekte der VGF ist das digitale Signal- und Zugsicherungssystem „Digital Train Control System Frankfurt“, welches im technischen Bereich verantwortet wird. Neben technischen Aspekten beinhaltet Digitalisierung immer auch organisatorische und menschliche Veränderungsbedarfe, sagt Geschäftsbereichsleiterin Anne.
„Hier ändern wir die Technik und erhoffen uns dadurch, dass die Taktung und der Komfort für die Fahrgäste größer werden. Um das nach Außen sicherzustellen, braucht es Organisationsveränderungen und eine Begleitung der Kolleg:innen im Innen: die Arbeit in der Instandhaltung erfolgt nun ganzheitlicher und interdisziplinärer im Team.“
Widerstände überwinden gehört zum Job dazu
Von den Strategien und Projekten des Bereichs OE profitieren sowohl einzelne Mitarbeitende, als auch das Unternehmen insgesamt, sagt Fachbereichsleiter Dirk. „Wir sind die moderierende Plattform im Unternehmen und bringen diejenigen zusammen, die unternehmerische Probleme besser lösen können als wir.“
So sei es das Ziel des Unternehmens, schnell und sicher Fahrgäste zu befördern, funktionierende Signaltechnik anzubieten und ein sicherer, attraktiver Arbeitgeber zu sein. „Wir sind gerade dabei, in einem Arbeitsbereich die Logiken und Hierarchien von fachlicher Zuordnung komplett neu zu denken. Hier sprechen wir auch über Verantwortlichkeiten, die klar zugewiesen sein müssen. Da bringen wir die Fachleute aus dem Personalbereich und der Fachabteilung an einen Tisch und moderieren.“
Die Branche tickt sehr hierarchisch: Verkehrsunternehmen sind tendenziell konservative Unternehmen. Hier crossfunktional zu denken und sich anders aufzustellen, ist spannend. Wir stoßen aber natürlich auch an Grenzen. Man braucht eine hohe Frustrationstoleranz.
Dirk Dalichau, Organisationsentwicklung und Qualitätsmanagement bei VGF
Dieses Vernetzen sei eine ganz wichtige Aufgabe des Bereichs Organisationsentwicklung, sind sich alle einig. Für sich alleine könne kein Thema mehr betrachtet werden und kein Fachbereich mehr agieren. „Digitalisierung, New Work, Mitarbeitendenbindung und Führungskräfteentwicklung zum Beispiel greifen alle in einander“, sagt Anne. „Wenn ich Digitalisierung will, muss ich die Mitarbeitenden befähigen, ihnen Raum geben, anders zu arbeiten und brauche Führung, die ein Experimentieren zulässt.“
Diesen Wandel zu gestalten, sei sehr spannend, aber nicht immer einfach. „Wer Veränderungen in Unternehmen vorantreibt, stößt auf Widerstand. Das ist nicht nur in der Verkehrsbranche so“, sagt Dirk. „Und wenn der Wandel trotz Widerstand gelingt, heißt es: „naja, endlich“. Das große Feuerwerk zündet einem außer dem eigenen Team niemand.“
Leute, die 30 Jahre lang irgendwie gearbeitet haben, wollen nicht von einem Tag auf den anderen alles anders machen. Das ist total nachvollziehbar. Es ist wichtig, Widerstände ernst zu nehmen und auf sie einzugehen. Wenn man die Menschen dennoch überzeugen kann, ist das ein tolles Erfolgserlebnis, aber bei Veränderungen kann man nicht 100 Prozent mitnehmen.
Tugce Yildirim, Projektmanagerin und Organisationsentwicklerin bei VGF
Im Arbeitsalltag begegnen den Organisationsentwickler:innen natürlich auch Kolleg:innen, die sich über die Veränderungen freuen, sagt Tugce. So können sich beispielsweise Projektleiter und Projektleiterinnen an sie und ihr Team wenden, wenn sie nicht weiter wissen. „Manchmal stehen die vor einem riesigen Berg Arbeit und wissen nicht, wo sie anfangen und wo aufhören sollen. Dann können sie zu uns in die Projektberatung kommen.“
Gemeinsam werden die Projekte dann neu strukturiert. „Das hilft besonders den jungen Projektleitungen sehr.“
Softskills wichtiger als ein bestimmter Abschluss
„Eine unserer großen Aufgaben ist es, den Raum dafür zu erkämpfen, dass Menschen neu denken können“, fasst Dirk zusammen. Deshalb gibt es auch keinen standardisierten weg in den Beruf des Organisationsentwicklers beziehungsweise der Organisationsentwicklerin. Tugce beispielsweise hat Politologie studiert, Katharina ist Soziologin. „Wir haben auch Wirtschaftsingenieure, Kaufleute oder BWLerinnen“, sagt Dirk. „OE ist ein Thema, das ganz viel auf Erfahrung basiert. Natürlich muss man etwas können und braucht Methodenkompetenz, aber am Ende braucht man ein gesundes Mindset für Veränderungen.“ Ein paar Mal auf die Nase gefallen zu sein und daraus gelernt zu haben, könne auch nicht schaden.
Erfahrung ist nicht immer gekoppelt an Lebensjahre. Wenn jemand aus einem sehr agilen Bereich kommt, bringt diese Person viel Erfahrung mit, die uns fehlt. Ohne, dass sie 20 Jahre Berufserfahrung braucht.
Anne Rückschloß, Geschäftsbereichsleiterin Organisation, VGF
Methodenkompetenz wie Design Thinking und die Fähigkeit, alle Stakeholder in Projekte einzubinden, seien wichtig für den Erfolg im Job – und damit für den des Unternehmens. Dadurch leistet der Bereich Organisationsentwicklung auch einen gesamtgesellschaftlichen Beitrag, sagt Anne. „Diese Jobs sind für die Mobilitätswende erforderlich, auch wenn man das nicht immer so sieht. Bei Ingenieur:innen und Straßenbahnfahrer:innen ist es klar, aber es braucht uns auch.“
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