Dr. Vera-Maria Graubner hat Chemie studiert, ihre Karriere beim Wiener Erdöl-, Erdgas- und Chemiekonzern OMV angefangen, wollte aber dann aus der fossilen Energieindustrie aussteigen. Heute treibt sie als Chief Operating Officer bei pepper motion GmbH das Thema Retrofitting – die Umrüstung von Diesel-Nutzfahrzeugen auf Elektroantrieb – voran.
Vera-Maria ist 46 Jahre alt, wohnt in München und ist promovierte Chemikerin. Durch Zufall habe sie in der „schwarzen“ Energie zu arbeiten begonnen. Zehn Jahre war sie bei der OMV, zuletzt als stellvertretende Raffinerieleiterin in Schwechat. Danach sei sie ganz bewusst in die „grüne“ Energie gewechselt.
WiM: Wie ging es nach OMV beruflich für Sie weiter?
Nach einer Auszeit habe ich bei dem Batteriespeicherproduzenten ADS-TEC angefangen und war verantwortlich für das operative Geschäft. Ende 2018 lernte ich das Projekt e-troFit und meinen jetzigen Chef kennen, mit der Idee, existierende Nutzfahrzeuge umzurüsten. Ich war sofort begeistert und habe Anfang 2019 begonnen. Es war von Anfang an klar, die Idee soll größer werden und daher wurde das Projekt ausgegründet und eigenständig. So entstand die Firma pepper motion.
Was macht pepper motion konkret?
Pepper ist Pionier und Technologie-Führer im Bereich Retrofitting von Nutzfahrzeugen. Mit der etrofit Lösung wenden wir uns an die Betreiber aus dem Nutzfahrzeugsektor, besonders im innerstädtischen Bereich – ÖPNV und Logistik, also Busse und LKWs. Wir rüsten die Fahrzeuge auf Elektroantrieb um. Als digitaler OEM produzieren wir aber nicht selbst, sondern arbeiten mit qualifizierten Umrüstpartnern zusammen. Wir verleihen den Fahrzeugen ein Second Life als E-Fahrzeug.
Welche Vorteile hat das?
Die Umrüstung ist ungefähr 40% günstiger als ein Neufahrzeug. Wir verlängern die Laufzeit der Fahrzeuge. Nach einem Neukauf gehen alte Fahrzeuge oft in den Zweitmarkt, in Drittländer, das verschiebt die Klimaproblematik aber nur. Wir nehmen den Motor raus und damit ist der Dieselantrieb komplett aus dem Markt. Retrofitting ist auch die Lösung entgegen dem allgemeinen Mangel an Neufahrzeugen und den begrenzten Produktionskapazitäten bei OEMs. Bis die ganzen Flotten ausgetauscht sind, dauert es Jahrzehnte.
„Ich habe mir das richtige Team zusammengestellt. Die richtigen Leute mit den richtigen Kompetenzen, die ihr Geschäft verstehen.“
Dr. Vera-Maria Graubner, Chief Operating Officer bei pepper motion GmbH
Was genau ist Ihre Rolle bei pepper?
Von Beginn an war ich verantwortlich für den Aufbau des operativen Geschäfts. Das ist bis jetzt auch so geblieben, ich fühle mich da wie zu Hause. Meine Verantwortlichkeiten haben sich mit dem Wachstum des Unternehmens auch verändert. Ich bin jetzt zuständig für die Bereiche Produktion, Strategischer Einkauf, Supply Chain Management, After Sales & Services, Technische Redaktion.
Wie kriegen Sie alle diese Rollen unter einen Hut?
Ich habe mir das richtige Team zusammengestellt. Die richtigen Leute mit den richtigen Kompetenzen, die ihr Geschäft verstehen. Wichtig ist mir auch, dass sie unterschiedlich sind, anders sind als ich. Ich halte es wie Steve Jobs: “Es macht keinen Sinn, kluge Köpfe einzustellen und ihnen dann zu sagen, was sie zu tun haben. Wir stellen kluge Köpfe ein, damit sie uns sagen, was wir tun können.“ Das macht es dann auch möglich zu managen – auch wenn ich das Wort “managen” nicht mag. Ich sehe ich mich eher in der Koordinationsfunktion, und überblicke, was um mich herum passiert, sodass ich die richtigen Weichen stellen kann.
Welche Aufgabe halten Sie noch für wichtig in der Führungsrolle?
Die Leute an den richtigen Stellen miteinander und übergreifend zu vernetzen und auch ein offenes Ohr für die Probleme zu haben. Am Ende bin ich hauptsächlich für die Eskalation da. Sonst erwarte ich, dass die Mitarbeiter ihren Job machen.
Wie wissen Sie, dass die Leute zusammenpassen werden?
Bauchgefühl. Und trotzdem stelle ich immer wieder fest, Mensch, das hat doch nicht so gepasst, aber auch das gehört einfach dazu. Ansonsten versuche ich die Leute, immer wieder zusammenzubringen. Ich fordere Eigendynamik und eigene Ideen zu bringen. Ich entwickle mich da selbst auch weiter – ich bin auch die, die selbst gerne ihre Ideen einbringt, aber ich halte mich auch ein bisschen zurück.
Meine Stärke ist ein guter Querschnitt an Sachkenntnis mit dem ich beurteilen kann: läuft es richtig oder nicht? Das ist auch ein Learning und man muss dafür auch ein Gefühl entwickeln. Mein Team besteht mittlerweile aus fast 20 Mitarbeitern, jede Woche gibt es Gelegenheit für direkten Austausch auch in der hybriden Arbeitswelt. Persönliche 4-Augen-Gespräche habe ich mit meinen 5 Direct Reports für eine Stunde. Das ist wertvolle und sehr gut investierte “Mitarbeiterzeit”.
Wenn Sie Bus und LKW vergleichen, welche Fahrzeuge rüsten Sie häufiger um und was ist technisch einfacher?
Die Komplexität im Bus ist deutlich größer. Bei Bussen müssen die Komponenten vorne mit Batterie und Antriebsstrang hinten verknüpft werden. Beim LKW ist alles relativ kompakt zwischen den beiden Achsen der Zugmaschine. Das macht es deutlich einfacher.
Was Zahlen angeht, setzen wir den Fokus mehr auf LKW. Retrofitting hat jetzt auch endlich Akzeptanz über die Clean Vehicles Directive (CVD) – bis jetzt galt sie nur für Neufahrzeuge. (Bemerkung: Es geht um die EU-Richtlinie, die anspruchsvolle Ziele für die Anzahl der emissionsfreien Fahrzeuge in Flotten setzt.)
Ist der Fokus auf LKW auch das Widerspiegeln von Marktnachfrage?
Ja, der Entscheidungsprozess im LKW-Bereich geht einfach schneller. Beim ÖPNV tun sich die großen Busunternehmen, BVG oder MVG, etwas schwer mit Retrofitting, erstaunlicherweise. Sie haben die Vorgaben nach so und so vielen Jahren die Busse abzuschreiben, dann kommen sie aus dem Fuhrpark raus und werden durch aktuellste, neue Modelle ersetzt. Im öffentlichen Bereich sind die Entscheidungswege oft viel länger als bei den, meist privaten, LKW-Flotten Betreibern.
Mit dem Retrofit bekommen die Busse eine Instandsetzung, einen neuen Antriebsstrang, eventuell auch Refurbishment. Das Kritische ist gar nicht die Karosserie, sondern der Dieselmotor aufgrund der hohen Laufleistung, aber nachdem dieser entfernt wird, verlängern wir mit der Elektrifizierung den gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs.
Was ist die Einstellung der kleineren Busbetreiber?
Zurück zur CVD, das Wirtschaftsministerium fördert vor allem Großprojekte mit "großem" Impact. Aber auch die kleineren Mengen an Fahrzeugen in mehreren Projekten machen im Endeffekt eine große Flotte mit viel CO2 Einsparpotenzial. Die kleinen Flotten würden vielleicht eher in Richtung Retrofit gehen, werden aber zurzeit nicht bedacht. Das sorgt bei den kleineren Unternehmen für Frustration.
Was denken Sie, warum möchten die großen Betreiber die Retrofitting Option nicht wählen?
Es ist eine neue Art von Technologie, es ist noch nichts Gesetzes. Viele möchten erstmal aus der Ferne beobachten, bevor sie das selbst umsetzen. Hinzu kommt, dass der Nachhaltigkeitsgedanke leider immer noch nicht überall angekommen ist und großzügige Förderprogramme die Beschaffung von Neufahrzeugen begünstigen.
Sie haben auch eine Lösung für die OEMs.
Wir bieten auch ein ganzheitliches Konzept an: ein universelles modulares Antriebssystem, das auch als Tier1 Lösung verwendet werden kann. Das heißt, das Kit kann bei OEMs direkt ans Band gebracht und in die Produktion integriert werden. Der Antriebsstrang muss individuell an das Fahrzeugmodell angepasst werden, es ist also keine Plug-and-play Lösung, sondern immer mit einem bestimmten Entwicklungsaufwand verbunden. Dennoch sind wir mit unserer Tier1 Lösung schneller und flexibler als die OEMs selbst.
„Es ist eine neue Art von Technologie, es ist noch nichts Gesetzes. Viele möchten erstmal aus der Ferne beobachten“
Dr. Vera-Maria Graubner, Chief Operating Officer bei pepper motion GmbH
Wo fahren die Fahrzeuge mit Ihren Antrieben schon?
Unsere Busse sind aktuell noch überwiegend in Testeinsätzen unterwegs, dass allerdings nicht nur deutschlandweit, sondern auch international in Frankreich, Polen oder Italien. Die Kunden testen die Fahrzeuge gerne im Realbetrieb, auch über längere Zeiträume, in Landshut beispielsweise war eines unserer Fahrzeuge für ein Jahr erfolgreich im Linienbetrieb eingesetzt. LKWs hat beispielsweise die Firma Temmel in Graz in ihrer Flotte.
Wie ist das Feedback von Fahrpersonal und Fahrgästen?
Wir bekommen positives Feedback. Das Fahrverhalten und die Gewichtsverhältnisse sind recht ähnlich, der Busfahrer ist in seinem gleichen Fahrzeug, der Arbeitsplatz ist gleich, keine neuen Gewohnheiten. Ein großer Vorteil ist natürlich die stark reduzierte Geräuschemission, sowohl für den Fahrer als auch für die Fahrgäste. Es sind schon viele Zweifler in den Bus eingestiegen, aber noch keiner ausgestiegen.
Und zum Ende, Sie als Women in Mobility, was finden Sie spannend an der Mobilitätsbranche?
Ich finde es spannend, an der Mobilitätswende teilzuhaben. Das ist für mich das Thema, warum ich dabei bin. Wir verändern etwas, wir bewegen etwas und das ist der Anspruch, den ich an meiner Arbeit habe. Und damit auch die Klimaziele zu erreichen, finde ich eine tolle Sache.
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